Am letzten Samstag nahmen wieder gut 50 Personen an der wöchentlichen Demonstration des Runden Tischs Krankenhaus Oberkirch teil. Themen waren ein neues Gesetz des Bundes zur Ersteinschätzung von Patienten in Notfallambulanzen durch nicht-ärztliches Personal, Erläuterungen zur sogenannten „Zweiten Säule“ aus dem gemeinsamen Antrag der Kreistagsfraktionen der CDU und SPD, sowie ein Erfahrungsbericht aus einer ambulanten Untersuchung in der internistischen Abteilung des Krankenhaus Oberkirch.
Im Bundestag wurde in erster Lesung ein neues Gesetz debattiert, das unter anderem die Ersteinschätzung von Patienten in Notfallambulanzen neu regeln soll. In Zukunft sollen Notfall-Patienten in einem Empfangsbereich anhand von standardisierten Fragebögen von nicht-medizinischem Personal schon vorausgewählt werden. Nicht ein Arzt entscheidet, ob der Notfall-Patient der Notfallambulanz des Krankenhauses oder alternativ dem im gleichen Haus angesiedelten Notdienst der kassenärztlichen Vereinigung vorgestellt wird, sondern ein Sachbearbeiter evtl. ohne weitergehende medizinische Kenntnisse. Das kann nach Ansicht der Ärztevertretung „Marburger Bund“ im Falle eines Falles zu erheblichen Gefährdungen von Patienten führen und wird die Bürokratisierung weiter ausweiten.
Was bedeutet der Begriff „Zweite Säule“ bei der Umstrukturierung der Gesundheitsversorgung in der Ortenau? Die „erste Säule“ meint die klinische Versorgung der Patienten. Die „zweite Säule“ meint die Versorgung der Patienten in sogenannten „Medizinischen Versorgungszentren“ (MVZ) des Ortenaukreises, die durch die neuen „Zentren für Gesundheit“ an den bisherigen Krankenhaus-Standorten in Oberkirch, Ettenheim und Kehl ergänzt werden sollen. Im Fall für Oberkirch soll nach Plänen des Ortenau-Klinikums das schon vorhandene MVZ für Orthopädie durch einen Unfallchirurgen mit Zusatzbezeichnung „D-Arzt“ erweitert werden und nach erfolgtem Umbau des Oberkircher Krankenhauses dorthin umziehen. Ein Mehrwert für Oberkirch und das Renchtal entsteht dadurch nicht, da im Krankenhaus schon bisher ein Unfallchirurg mit Zusatzbezeichnung „D-Arzt“ tätig ist, der notwendig ist, um Betriebsunfälle – auch behandeln zu dürfen. Würde dieser „D-Arzt“ nicht eingerichtet bzw. gefunden werden, müsste jeder Betriebsunfall – sei er noch so klein (z.B. die Schnittwunde an einem Finger) bei entsprechenden Einrichtungen in Offenburg oder Achern vorgestellt werden. Das würde das Renchtal unattraktiver für Firmen machen und damit auch wirtschaftliche Folgen haben können.
Des Weiteren ist auch eine internistische oder allgemeinmedizinische Praxis oder MVZ im Gebäude geplant, die auch internistische Notfälle behandeln soll. Das steht momentan nach Einschätzung des Runden Tischs nur als Forderung auf dem Papier, konkrete Planungen dazu sind nicht bekannt.
Weiter soll im Fall des Oberkircher Krankenhauses der moderne Operationsbereich weiter von externen Ärzten für ambulante Operationen genutzt werden. Laut Informationen des Ortenau-Klinikums soll es Interessenten geben (Stand Oktober 2020), wie eine Augenarzt-Praxis und ein Anästhesisten-Team. Inwieweit es dazu zu Verhandlungen gekommen ist bzw. diese vorangeschritten sind, wird nicht öffentlich kommuniziert.
Trotz der oben geschilderten Unwägbarkeiten forciert der Geschäftsführer Keller des Ortenau-Klinikums die Schließung des Oberkircher Krankenhauses. Wohl nicht aus finanziellen Gründen, sondern ganz einfach, weil in anderen Häusern des Ortenau-Klinikums Personal, vor allem Pflege-Personal fehlt. Die Sprecher des Runden Tischs erneuerten ihre Forderung, dass eine Schließung des Oberkircher Krankenhauses nur dann erfolgen kann und darf, wenn die medizinische Grund- und Notfallversorgung – gerade für sogenannte Bagatellverletzungen – für das Renchtal auch wirklich nahtlos gesichert ist.
Im weiteren Verlauf der Versammlung schilderte eine Teilnehmerin ihre Erfahrungen bei einer ambulanten Untersuchung in der internistischen Abteilung am Oberkircher Krankenhaus. Bei der Terminabsprache wurde sie darauf hingewiesen, dass für Privat-Patientinnen wie sie eine Chefarztbehandlung nur noch im Krankenhaus Achern angeboten werde. Nach ihrem Verzicht auf die Chefarztbehandlung verlief die Untersuchung zu ihrer vollsten Zufriedenheit und sie könne nur eine Weiterempfehlung aussprechen.
Weiter wurde berichtet, dass es in den letzten Wochen immer wieder zu Verlegungen aus dem Krankenhaus Achern wegen Bettenmangels nach Oberkirch komme. Da stellt sich schon die Frage, wie man Oberkirch dann zeitnah schließen will. Kommt es dann wie schon aus Offenburg mehrfach berichtet zur Ablehnung von stationären Aufnahmen auch in Achern? Wird hier die klinische Gesundheitsversorgung in der Ortenau auf Kosten von Patienten kaputt gespart?