Es war zu erwarten, unser Einsatz hat wieder mal nichts genutzt: Die Mitglieder des Gesundheits- und Klinik-Ausschuss (GKA) des Kreistags im Ortenaukreis haben gestern, am 8. März, den städtebaulichen Vertrag zur Übernahme des sogenannten Zentrums für Gesundheit Oberkirch abgenickt. Den Vertrag kann man unter https://kreistag.ortenaukreis.de/tops/?__=UGhVM0hpd2NXNFdFcExjZWG8K6keBYmPRXHQCf4qA8A, Tagesordnungspunkt 1.2 als PDF downloaden.
Wir hatten im Vorfeld allen Sprechern der vertretenen Parteien im GKA in einer Mail unsere Bedenken mitgeteilt:
Sehr geehrte(r) Kreisrat/Kreisrätin,
in der Sitzung am kommenden Dienstag unter Pkt. 1.2 der Tagesordnung „Ortenau Klinikum; Agenda 2030; Zentrum für Gesundheit Oberkirch; soll über den Abschluss des „Städtebaulichen Vertrags“ zwischen Ortenaukreis und der Stadt Oberkirch abgestimmt werden. Wir bitten Sie folgende Gedanken an Ihre Fraktionskollegen im Ausschuss weiterzuleiten, und diese in Ihre Überlegungen zum Abstimmungsverhalten über diesen Tagungsordnungspunkt einzubeziehen.
Dass wir das in Anlage 1 zum Entwurf des städtebaulichen Vertrages beschriebene Mindestangebot absolut nicht als ausreichende Gesundheitsversorgung für uns im Renchtal betrachten können, ist bekannt und soll an dieser Stelle nicht vertieft werden.
Wir möchten Ihr Augenmerk aber auf folgende Vertragsbestandteile richten:
In § 6 Abs.2 Ziff. A9 (i) heißt es:
- a) Die Stadt Oberkirch kann von dem Ortenaukreis sowie dessen Rechtsnachfolger als Eigentümer des ZfGO-Grundstücks die Übereignung und Übertragung des ZfGO-Grundstücks einschließlich aufstehender Gebäude und baulicher Anlagen frei von Belastungen – ausgenommen Belastungen, die bereits heute auf dem ZfGO-Grundstück lasten – an sich oder einen von ihr benannten Dritten nach Maßgabe dieses § 6 verlangen („Heimfallrecht“), wenn
- auf dem ZfGO-Grundstück nach der Inbetriebnahme des ZfGO, spätestens jedoch nach dem 31. Dezember 2024 nicht das vereinbarte Mindestangebot medizinischer und pflegerischer Leistungen angeboten wird oder Bestandteile des vereinbarten Mindestangebots danach nicht nur vorübergehend nicht angeboten werden, d.h. im Zweifel für höchstens sechs (6) Monate innerhalb von 18 Kalendermonaten nicht angeboten werden;
Das bedeutet, dass die Stadt das Heimfallrecht ausüben kann, wenn der Kreis (für einen gewissen Zeitraum) das Mindestangebot nicht liefert.
Weiter heißt es aber in § 7 Abs.3:
Die Stadt Oberkirch ist zur Zustimmung zu einer Änderung des Mindestangebots verpflichtet, wenn dies aufgrund einer grundlegenden Änderung der Umstände objektiv zwingend erforderlich ist, weil das Mindestangebot gesetzlich unzulässig wird oder aufgrund von Maßnahmen der kassenärztlichen Vereinigung, des Zulassungsausschusses oder der Berufsgenossenschaft nicht mehr aufrechterhalten werden kann und der Ortenaukreis bzw. das Ortenau Klinikum oder zur Abbildung des Mindestangebots eingeschaltete Dritte alles Mögliche und Zumutbare unternommen haben, um die Maßnahme zu vermeiden, und wenn bedarfsgerechte sowie gleichwertige Ersatznutzungen die medizinische und pflegerische Prägung des ZfGOGrundstücks weiterhin sicherstellen.
Der Ortenaukreis ist verpflichtet, in den vorstehend genannten Fällen ein bedarfsgerechtes sowie gleichwertiges Ersatzangebot anzubieten.
Das bedeutet, die Stadt Oberkirch ist zur Zustimmung zur Verringerung des Mindestangebots verpflichtet, wenn eine Situation vorliegt, die nicht mit Vorschriften des Gesetzes, der kassenärztlichen Vereinigung, des Zulassungsausschusses oder der Berufsgenossenschaft übereinstimmt. Der Haken ist, dass eine solche Situation vom Ortenau Klinikum jederzeit herbeigeführt werden kann! So kann das Ortenau Klinikum z.B. – wie in der Vergangenheit mehrfach geschehen – sich darauf berufen, es gebe nicht genügend Personal, um die gesetzlichen Erfordernisse (Betreuungsschlüssel) zu erfüllen Dann besteht eine gesetzeswidrige Lage und die Stadt muss dem Wegfall zustimmen! Es sind viele solcher Möglichkeiten denkbar. Dann muss die Stadt der Verringerung des Mindestangebots zustimmen. Das jetzt im Vertrag vereinbarte Mindestangebot wird reduziert und gilt dann als neu vereinbartes Mindestangebot. Damit kann es trotz Verringerung des jetzigen Mindestangebots nicht zum Heimfall nach § 6 kommen! Dieser Vorgang kann beliebig oft wiederholt werden, so dass das Mindestangebot immer wieder reduziert und verändert werden kann.
Auf die praktische Wertlosigkeit der Zusätze, wonach zuvor alles „Mögliche und Zumutbare“ durch das Ortenau-Klinikum unternommen worden sein muss, hat selbst der zu Verhandlungen von der Stadt Oberkirch beauftragte Anwalt in der Gemeinderatssitzung vom 21. Februar hingewiesen. Ebenso sind die Begriffe „bedarfsgerechtes sowie gleichwertiges Ersatzangebot“ dehnbar, nicht bestimmt und damit faktisch ebenfalls wertlos.
Es müsste daher mindestens eine Klausel eingefügt werden, dass die Stadt Oberkirch bei Uneinigkeit das Heimfallrecht ausüben kann. Das schafft den notwendigen Druck auf den Kreis, wirklich alles zur Erhaltung des Mindestangebots zu tun.
Zusammengefasst: Durch diesen Vertrag wird der Stadt Oberkirch das Heimfallrecht faktisch genommen.
Deshalb folgende Überlegung:
Die Stadt Oberkirch hat im Jahr 1977 das Eigentum an der Immobilie an den Kreis übertragen, weil sie als Gegenleistung den Betrieb eines Krankenhauses bekommen hat. Das war eine adäquate Gegenleistung.
Worin besteht jetzt die Gegenleistung für die Überlassung des Eigentums?
Die ganz überwiegende Nutzung der Immobilie besteht in dem Betrieb eines Pflegeheims durch den Kreis. Davon werden einige Oberkircher profitieren, hauptsächlich werden aber Patienten aus dem Kreisgebiet dort versorgt werden (das Pflege- und Betreuungsheim Ortenau in Fußbach soll entlastet werden). Das ist keine adäquate Gegenleistung für die Stadt Oberkirch für die Überlassung seiner Immobilie! An weiteren Leistungen (die nicht schon vorhanden waren) erhält die Stadt eine D-Arztzulassung, für eine gewisse Zeit die Notfallsprechstunde und probeweise die Genesungsbetten. Auch das ist keine adäquate Gegenleistung für die Überlassung dieser Immobilie!
Damit stellt sich die Frage: Darf die Stadt Bürgereigentum ohne entsprechende Gegenleistung hergeben? Wir denken: nein.
Lösungsvorschlag:
Der Geschäftsführer des MVZ, Herr Bühn, hat in der Mitgliederversammlung des Fördervereins Krankenhaus Oberkirch erläutert, dass die Investitionen des Kreises durch die Mieten des Pflegeheims und des MVZs refinanziert werden.
Es besteht also durchaus die Möglichkeit, dass die Stadt Oberkirch das Eigentum an der Immobilie behält und an den Träger des Pflegeheims und an das MVZ vermietet. Da der Kreis den Umbau finanziert, kann die Miete so angepasst bzw. vielleicht sogar auf 0 gesetzt werden, bis die Investitionen des Kreises refinanziert sind.
Der Vorteil dieser Lösung: Oberkirch bleibt Eigentümer der Immobilie (!) mit aller Gestaltungsfreiheit und kann nach Ablauf der Tilgungszeit die Miete verhandeln. Aus den dann erzielten Mieteinnahmen kann die Stadt die Instandhaltungskosten bezahlen.
Wir bitten Sie, sich die Folgen der genannten vertraglichen Regelungen bewusst zu machen und die alternative Lösungsmöglichkeit zu überprüfen. (Ende des Mailtextes)
Es war schon erstaunlich anzusehen und anzuhören wie in der Sitzung argumentiert wurde. (z.B. das Wort „Vertrag“ kommt von „Vertragen“, man muss Vertrauen haben …) Eigentlich kann man einem solchen Vertrag nicht zustimmen, wenn man sich die Frage stellt, ob man in seinem persönlichen Bereich einen solchen Vertrag unterschreiben würde.
Abstimmung im Oberkircher Gemeinderat am 21. März
Der Oberkircher Gemeinderat wird in seiner öffentlichen Sitzung am 21. März abstimmen. Auch hier liegen den Fraktionsvorsitzenden unsere Ausführungen zum Vertrag vor. Mal sehen, wie diese Abstimmung ausgehen wird – bei Zustimmung erhält Oberkirch kein echtes Zentrum für Gesundheit, sondern hauptsächlich eine Pflegeheim-Filiale des Pflege- und Betreuungsheims Ortenau in Fußbach und die Stadt wird keinen echten Einfluss auf die medizinische und personelle Ausstattung des Hauses haben. Ein „Heimfall“ wird in Zukunft aus Oberkircher Sicht nie mehr zur Debatte stehen.