Kreistag UmfinanzierungAgenda 2030

Kreistag segnet Anpassung der Finanzierung der Agenda 2030 ab

Wir haben folgenden Brief vor der Sitzung des Kreistages geschrieben:

Sehr geehrter Herr Landrat, sehr geehrt Fraktionsvorsitzende,

in der Sitzung des Kreistags am kommenden Dienstag, 19. Juli 2022 soll unter Tagesordnungspunkt 2.3 die Finanzierung der Agenda 2030 „angepasst“ werden.
https://kreistag.ortenaukreis.de/tops/?__=UGhVM0hpd2NXNFdFcExjZUSlmr0ZGHgm00ZnVI4YpR8

Zunächst einmal stellen wir fest, dass die Anlage in der veröffentlichten Tagesordnung fehlt (6. FINANZKOMMISSION ORTENAU KLINIKUM vom 30. Mai)

Der Vorschlag wurde aber schon im GKA am 5.7. diskutiert und abgestimmt, die Anlage der 6. Finanzkommission befindet sich dort bei den Sitzungsunterlagen unter Punkt 1.1.

Nach Studium dieser vorgelegten „Anpassung“ ergeben sich wesentliche Fragen, auf die wir Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen des Kreistags aufmerksam machen möchten. Wir möchten Sie bitten, diese Fragen an Ihre Fraktionskolleginnen und -Kollegen weiterzuleiten, und diese in der Diskussion/Stellungnahmen und bei Ihrer persönlichen Entscheidung in der Kreistagssitzung zu berücksichtigen.

Verteiler:
alle Fraktionsvorsitzenden mit der Bitte um Weiterleitung an die Kolleginnen und Kollegen
Landrat Frank Scherer

Ortenau-Redaktion der Mittelbadischen Presse
Ortenau-Redaktion der Badischen Zeitung
Ortenau-Redaktion der Badischen Neuesten Nachrichten

Fragen zur Finanzierung der Agenda 2030

Baukostenentwicklung
Die letzte Baukostenberechnung stammt  aus dem Jahr 2020 mit 1,3 Milliarden. Das war vor Corona, vor dem Ukraine Krieg, Inflationssteigerung, Baustoff- und Energieverknappung und der daraus resultierenden Erhöhung der Preise. Wo stehen wir jetzt?

 Landeszuschuss
Die Vorlage geht von einem höheren Landeszuschuss aus. Wie ist dies gesichert? Die vor Corona gegebene Zusicherung von 60% der (förderfähigen!) Kosten beruhen auf einer mündlichen Zusage von Minister Lucha. Sie ist eher unsicher angesichts der politischen und finanziellen Lage. Es wäre nachvollziehbar, wenn das Land sich auf Grund von außergewöhnlichen zusätzlichen finanziellen Belastungen wie Corona und Ukraine-Krieg sowie weiterer nicht in kleiner Zahl anstehender Neubauten von Zentralkliniken in ganz Baden-Württemberg wie das Klinikum Mittelbaden, zurückzieht.

Der zur GKA Sitzung vorgelegte Krankenhaus Rating Report geht für die deutschen Krankenhäuser von einem Finanzierungsbedarf von 6 Mrd € und verfügbaren Finanzierungsmitteln von 3 Mrd € aus. Wo sollen die fehlenden Mittel herkommen?

Fehlende Vorfinanzierung
Aus der im Modell Landrat beschlossenen Vorfinanzierung der Investitionen soll jetzt ein Verlustausgleich werden. Die fehlenden Mittel sollen durch Kreditaufnahme beschafft werden. Dabei soll das Klinikum 95 Mio € Kredite aufnehmen und samt Zinsen zurückzahlen. Unklar ist ob es sich hierbei um den Trägerkredit (ausgewiesen mit 99 Mio €) handelt oder um eine zusätzliche Kreditaufnahme. Das Klinikum hat nur ein ausgewiesenes Eigenkapital von 69,2 Mio € und wäre mit einer zusätzlichen Kreditaufnahme überschuldet. Besteht da nicht die Gefahr der Insolvenz?

Refinanzierung der Kredite
Die GKA Vorlage sagt nichts zur Refinanzierung der Kredite. Die erhöhten Baukosten führen zu einer erhöhten finanziellen Belastung durch Abschreibungen. Für diese Abschreibungen sieht das heutige Krankenhaus-Finanzierungsrecht keine Zuschüsse der Krankenkassen vor, weil es von der Fiktion ausgeht, dass das Land gesetzestreu die gesamte Krankenhausfinanzierung trägt. Diese Abschreibungen führen zu weiter steigenden Verlusten, die bisher durch Entnahmen aus dem Eigenkapital gedeckt wurden. Auch der für 2021 ausgewiesene Gewinn stammt aus der Auflösung von Eigenkapital und Zinszuschüssen des Kreises. In Wirklichkeit ist ein Jahresfehlbetrag von 6 Mio € entstanden! Wie sollen also die Kredite in realiter refinanziert werden?

Entwicklung des Eigenkapitals
Auf Dauer kann man nicht dem Eigenkapital laufende Belastungen entnehmen ohne für eine Zuführung zum Eigenkapital zu sorgen. Wie entwickelt sich langfristig das Eigenkapital und welche Maßnahmen zur Stärkung des Eigenkapitals sind erforderlich und geplant?

Dabei ist zu berücksichtigen dass die erhöhten Neubauinvestitionen zu erhöhten Abschreibungen führen, die aus dem vorhandenen Eigenkapital nicht gedeckt werden können.

Kredit Zins und Tilgung:

Klinikum Gewinne zur Refinanzierung?
Die Agenda 2030 ging davon aus, dass die aufgelaufenen Verluste durch künftige Gewinne des Klinikums ausgeglichen werden können. Wo gibt es eine Planung, die diese Annahme rechtfertigt? Bei einer derartig weitreichenden Kreditermächtigung gehören die zur Refinanzierung relevanten Planungen in die Sitzungsvorlage. Gewinne, die nur durch Kreiszuschüsse und Auflösung von Eigenkapital zu erzielen sind, sind keine Gewinne und stellen keine Refinanzierungsgrundlage dar.

Künftige Belastungen des Kreishaushalts
Welche Belastungen des Kreishaushalts sind durch die Refinanzierung der Kredite zu erwarten? Dabei sind sowohl die direkten Belastungen zu berücksichtigen als auch die notwendigen Zins und Tilgungszuschüsse an das Klinikum. Zu dieser entscheidenden Frage liefert die Vorlage keine Aussagen. Die Mittel, die der Kreis hierfür aufwenden muss fehlen dann den Kommunen für  die Sicherung und den Ausbau ihrer Infrastruktur. Die zu erwartenden Haushaltbelastungen müssen daher in der Sitzungsvorlage genannt werden.

Resultat:

Der Tagesordnungspunkt wurde mit 69 Ja-Stimmen, 2 Nein-Stimmen, 0 Enthaltungen befürwortet!!!
Auch die Redaktionen der Ortenauer Tageszeitungen haben sich nicht gerührt!

Veröffentlicht in Allgemein und verschlagwortet mit , , , , .