Stellungnahme zum Interview der Mittelbadischen Presse mit Minister Lucha mit weiterer Zusammenfassung (https://www.bo.de/lokales/ortenau/sozialminister-manne-lucha-untermauert-forderzusage-fur-klinikreform) (beides leider hinter Bezahlschranke) in der Mittelbadischen Presse am 20. August 2022
Das Interview mit Sozialminister Manfred Lucha wirft mehr Fragen auf, als dass welche beantwortet wurden:
Zur Finanzierung der Agenda 2030: „Wenn er sagt: „Wir setzen alles daran, die Zusage von 60% einzuhalten“ und „Das letzte Wort hat der Landtag Baden-Württemberg“ hört sich das ganz anders an, als im Juli 2020 im Kreistag, Zitat:“ „60 Prozent entsprechen meiner Erfahrung. Ich habe die Aussage gemacht, weil ich Sie und mich unter Druck setzen möchte. Wenn Sie mit uns ein Krankenhaus planen, sind Sie auf der sicheren Seite.“
Herr Lucha baut also vor, dass es doch nichts werden wird mit der 60%igen Finanzierung. Die Wirtschafts-, Energie- und Klimakrise hat schon heute alle finanziellen Voraussetzungen und Berechnungen schwinden lassen. Auch geht es doch gar nicht wie im Interview angesprochen nicht nur um den Ortenaukreis und die Kreise Rastatt und Baden-Baden: in ganz Baden-Württemberg wurde In den Jahren 2020 und 2021 schon 8 Klinken geschlossen, 17 weitere Schließungen sind schon beschlossen oder stehen kurz vor dem Beschluss! Dafür sollen 9 Zentralkliniken (auf die Ortenau entfallen 3) neu gebaut werden: Das bedeutet: es stehen Investitionen von ca. 3,5 Mrd. Euro (Stand April 2022, Steigerung des Baukostenindices nicht eingerechnet) an, davon müssten mindestens ca. 1,7 Mrd. Euro vom Land aufgebracht werden.
Zu den Zahlen: https://www.gemeingut.org/wordpress/wp-content/uploads/2022/04/01_Krankenhausschliessungen-in-Baden-Wuerttemberg_Bilanz-Buendnis-Klinikrettung_mit-Schliessungskarten_06.04.22.pdf
Wie soll das gehen, wenn wir auf eine veritable Wirtschaftskrise zusteuern?
Es geht aber nicht nur um die Landeszuschüsse, denn praktisch den gleichen Gesamtbetrag müssen ja die betroffenen Stadt- und Landkreise aufbringen: Auch hier stellt sich zum einen die Frage , wie diese Summen finanziert werden können, bzw. zum anderen, inwieweit andere öffentliche Aufgaben dann zurückgestellt bzw. komplett entfallen müssten. Zum Beispiel ist der Finanzierungsplan des Ortenaukreises vom Herbst 2020 doch nur noch Makulatur bei einer Steigerung des Baukostenindices auf mindestens 15%, des damit inzwischen völlig überholten damals berechneten Kreditbetrages von 422 Mio. Euro und den zugrunde gelegten Zinsen von 1,5%. Das betrifft nicht nur die Kreise, sondern besonders die Kreisstädte, die ja durch ihre Umlage überhaupt den Kreis finanzieren.
Wie soll das gehen, wenn wir auf eine veritable Wirtschaftskrise zusteuern?
Auch wurde zur Finanzierung nie ein Wirtschaftlichkeitsnachweis erstellt, was eigentlich bei solchen horrenden Investitionssummen ein oberstes Gebot wäre. Wenn kleine Krankenhäuser unwirtschaftlich sind, warum soll dann in Achern ein neues kleines Krankenhaus vom Land gefördert werden? Wo sollen die künftigen Gewinne herkommen? Das Einsparpotential der Agenda 2030 wurde bereits fast vollständig umgesetzt, dennoch ergab sich im letzten Jahr ein Verlust von über 6 Mio. Euro. Es wird einfach mal behauptet, dass Investitionen in Beton gleichbedeutend mit Wirtschaftlichkeit seien. Als Beispiel wird immer wieder Dänemark mit den Neubauten von Zentralkliniken herangezogen – aber so beispielhaft ist Dänemark nicht: So berichtet der Verband der Privatkliniken in Schleswig-Holstein e.V. aus Dänemark: „Um eine schnellere Behandlung der Patienten zu gewährleisten, nutzen die Regionen seit Sommer 2020 immer mehr private Krankenhäuser und Kliniken, wenn es in den öffentlichen Krankenhäusern an Kapazität mangelt.“ (u.a. haben im Sommer des letzten Jahres die dänischen Pflegekräfte wegen Überlastung und einer zu geringen Tariferhöhung gestreikt)
https://www.vpksh.de/service/news/artikel/daenische-regionen-ueberweisen-mehr-patienten-an-private-krankenhaeuser.html
Will man in Deutschland die Privatkliniken stärken?
Zur Zukunft der stationären Versorgung: Nicht zuletzt steht auf der Dringlichkeitsagenda des Bundesgesundheitsministers Lauterbach eine Klinikreform. Da steht vor allem die Abschaffung des unsäglichen Systems der Fallpauschalen auf dem Plan. Wie eine neue Abrechnungsform aussehen soll, weiß Herr Lauterbach ja wohl selbst noch nicht, geschweige denn Herr Minister Lucha.
Wie will man da zukunftssichere Investitionen tätigen?
Fürsorge des Staates zu Gesundheitsversorgung: Zitat Lucha: „Zusammen mit den Stadt- und Landkreisen bauen wir beispielsweise sogenannte Primärversorgung für Patientinnen und Patienten im Land auf.“ Die Frage stellt sich bis wann?
Das Beispiel „Zentrum für Gesundheit Oberkirch“ kann man ja bisher nicht wirklich als „Primärversorgungszentrum“ benennen. Nach der Schließung des heruntergewirtschafteten Krankenhauses ist das schon vorhandene orthopädische MVZ lediglich innerhalb Oberkirchs umgezogen (die Miete der Praxisräume streicht jetzt der Kreis nach dem selbstlosen Votum des Oberkircher Gemeinderats selbst ein). Lediglich eine 2-stündige sogenannte „Notfallsprechstunde“, die eigentlich nur dazu geeignet ist, sich mal ein beim Hausarzt nicht rechtzeitig bestelltes Rezept ausstellen zu lassen, kann nicht wirklich als akzeptable Nachfolgeeinrichtung angesehen werden. Die Notaufnahmen von Offenburg und Achern sind überfüllt und ohne Auto wegen des schlechten öffentlichen Nahverkehrs praktisch nicht zu erreichen. Eine Besserung ist in den nächsten Monaten nicht in Sicht! Da hat man ganz einfach den zweiten Schritt vor dem ersten Schritt vollzogen: Logisch wäre gewesen, erst die sogenannten Primärversorgungszentren aufzubauen und dann Krankenhäuser zu schließen.
Ist das die neue staatliche Fürsorge für die Patienten?
Übrigens: die Veröffentlichung dieser Stellungnahme in der Mittelbadischen Presse sieht so aus: