Stellungnahmen Oberkircher Gemeinderatsfraktionen zur vorzeitigen Krankenhausschliessung

Stellungnahmen Oberkircher Gemeinderatsfraktionen zur Krankenhausschließung

Die Redaktion der Acher-Rench-Zeitung hatte den Fraktionen des Oberkircher Gemeinderats vier Fragen zur Krankenhausschließung in Oberkirch zum 30. September gestellt. Die Fraktionsvorsitzenden der CDU, der SPD/BÜRGERLISTE, von BÜNDNIS 90/Die GRÜNEN und der BÜRGER FÜR OBERKIRCH (BfO) haben uns ihre Antworten dazu zu Verfügung gestellt:

Wie bewerten Sie die Entscheidung des Kreistags?

CDU: Fakt ist, dass der Beschluss des Kreistages zur Agenda 2030 im Jahre 2018 mit großer Mehrheit gefasst wurde. Mit Recht hat unser OB damals gegen die Agenda 2030 gestimmt. Nun gilt es, diesen Beschluss, der durch ein legitimiertes Gremium zustande kam, zu respektieren, ob wir wollen oder nicht und in Zusammenarbeit mit dem Kreis und der Klinikverwaltung ein tragfähiges Konzept für die Nachnutzung zu erarbeiten. Dies haben die fünf Kreisräte aus dem Renchtal gemacht und mit Ergänzungsanträgen die Vorlage für den Kreistagsbeschluss ergänzt. Dies gilt es nun sukzessive umzusetzen. Es bringt uns allerdings nicht weiter, wenn man durch Aktionismus in der Öffentlichkeit den Anschein erweckt, den Status quo ante herbeiführen zu wollen. Dies wäre Augenwischerei und Vorspiegelung falscher Tatsachen. Allerdings war Gegenstand des damaligen Beschlusses, dass etwa im Jahr 2025 eine Überprüfungsklausel gezogen wird. Das ist nun nicht vollzogen worden und hat zu einem immensen Vertrauensverlust geführt. Das kann man nun beklagen oder die Faktenlage zur Kenntnis nehmen und dazu nutzen, gemeinsam und konstruktiv ein akzeptables Nachnutzungs- konzept zu erarbeiten. Da haben die fünf Kreisräte aus dem Renchtal, die an einer konstruktiven Lösung interessiert sind, eine wertvolle Vorarbeit geleistet.

SPD/BÜRGERLISTE:
Obwohl schon voraussehbar, ist für uns der Zeitpunkt der Schließung doch enttäuschend. Warum nicht noch einige Monate warten, bis unter anderem auch der neue Geschäftsführer der MVZ Ortenau Gelegenheit hat, nach Analyse und Beurteilung der Sachlage noch eigene Ideen und Vorschläge in die Weiterentwicklung des Zwei-Säulen-Modells einzuarbeiten? Damit hätte der Ortenaukreis auch seinen Gestaltungswillen bzgl. einer optimalen Nachnutzung vertrauensbildend untermauern können.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Sie ist keine Überraschung für mich. Auch die Tatsache dass die Renchtäler Kreisräte außer Herr Baier für die Schließung gestimmt haben. Sie sind der Meinung das Beste für den Standort Oberkirch heraus geholt zu haben und dass man sich nun auf die Nachnutzung konzentrieren sollte. Ich bin da nicht so optimistisch, zumal viele schon gemachte Zusagen vom Landrat wieder zurück genommen, wurde und beim Nachnutzungskonzept auf zwei komplett intakte OP Säle gesetzt wird. Das scheint jetzt schon nicht mehr gegeben zu sein. Hier werden uns noch einige Überraschungen erwarten.

BfO:
Unserer Meinung nach ist dieser Beschluss völlig übereilt und von wenig Respekt gegenüber der Bevölkerung des Renchtals geprägt. Noch im Oktober 2017 wurde uns mit dem Modell Landrat der Erhalt aller 9 Klinikstandorte versprochen. Nicht einmal ein Jahr später wurde die Agenda 2030 beschlossen und Jetzt 2021 gilt das alles nicht mehr. Und dann spielen die 5 Kreisräte des Renchtals die beleidigten, weil die Bevölkerung ihnen den  Respekt verweigert und das Vertrauen in die Zuverlässigkeit ihrer Entscheidungen nicht mehr vorhanden ist. Da ruft man die Leute im Rahmen der Kommunalen Gesundheitskonferenzen dazu auf ihre Vorstellungen zu äußern und schert sich dann einen feuchten Kehricht darum, was die Menschen der Region wollen. Auch die sachlichen Beiträge des Runden Tisches und des Fördervereins werden übergangen. Diese Kreispolitik ist konträr zu der viel gepriesenen Entwicklung des ländlichen Raums und hat keinen Respekt verdient.

Wie zufrieden sind Sie mit dem verhandelten Ergebnis?

CDU:
Wenn der Beschluss zur Nachnutzung umgesetzt wird, wie ihn der Kreistag nun gefasst hat, sollte man zunächst zufrieden sein. Die Leistungsangebote aus den Bereichen stationäre Pflege, Kurzzeitpflege, Genesungsbetten, Facharztpraxen, Notfallpraxis und Notfallstandort, Hebammenstützpunkt sowie aus den ergänzenden Modulen aus dem Prozess der kommunalen Gesundheitskonferenz sind ein positiver Anfang. Die Nutzung des OP-Bereiches muss dringend angegangen werden. Da laufen Verhandlungen. Es wird auch erwähnt, dass das
vorgelegte Nachnutzungskonzept im weiteren Verlauf des Umsetzungsprozesses aktiv ergänzt und angepasst werden soll. So sollen weitere Module aus dem Prozess der KGK, aus dem interfraktionellen Antrag der CDU- und SPD-Fraktion „Die Zweite Säule“ sowie sonstige Leistungen ergänzt werden, die noch nicht im Konzept erwähnt sind. Trotzdem ist größte Vorsicht geboten. In der Vorlage wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass bei einigen wesentlichen Punkten der Konzeption, insbesondere im Bereich der ambulanten Notfallversorgung, die Umsetzung von Dritten abhängig ist. Da müssen natürlich sämtliche Alarmglocken angehen, da man bisher in Puncto Vertrauen von der Klinikleitung nicht gerade verwöhnt wurde.

SPD/BÜRGERLISTE:
Optimistisch gesehen ist das Ergebnis ein Basiskonzept, das mit weiteren Bausteinen aus dem medizinischen Leistungsspektrum ergänzt werden soll und hinter dem der Ortenaukreis nicht mehr zurückbleiben kann. Trotzdem ist auch Skepsis angebracht, weil jetzt in gewisser Weise der Druck aus dem Kessel ist und das Interesse an kreativen Nachnutzungsideen nachlassen könnte.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Nicht sehr zufrieden. Es gibt zwar die Zusage dass eine Notfallambulanz rund um die Uhr für leichtere Notfälle erhalten bleiben soll, aber Versprechen wurden schon mehrmals gebrochen. Ich bin der Meinung Oberkirch und das Renchtal verlieren einen weiteren wichtigen Baustein für Infrastruktur in der Region, nach der Schließung von Zollamt, Polizeiposten und Forstamt, und das in einer Zeit in der Oberkirch und das vordere Renchtal durch viele neue Baugebiete weiter wächst. Das ist für mich paradox.

BfO:
Mit dieser Entscheidung kann man überhaupt nicht zufrieden sein! Es gibt kein akzeptables Übergangskonzept. Die Absprachen mit OB Braun und den Kreisräten Krechtler, Gaiser, Baum und Bächle, dass der neue Geschäfsführer Rainer Bühn, der noch gar nicht im Amt ist in den Umwandlungsprozess eingebunden wird, sind mit dem Beschluss obsolet. Es war versprochen, dass die Entscheidungen frühestens ein halbes Jahr nach seiner Einstellung getroffen werden. Mit der Schließung des stationären Betriebes zum 30.9.21 fällt die bisherige internistische Versorgung 24/7 weg. Für die kurzfristige stationäre Interventionen  fehlen in der 2-3jährigen Umbauzeit die Betten und von einer ordentlichen Gesundheitsversorgung kann keine Rede sein.

Um welche Bereiche sollte aus Ihrer Sicht das künftige Zentrum für Gesundheit erweitert werden?

CDU:
Pflegebetten und eine Nachsorgestation sind für eine Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum nicht ausreichend, genauso wenig wie eine zweistündige Unfallversorgung am Abend. Der Wiederaufbau einer internistischen Abteilung sowie eine ganztägige Versorgung mit einem Notfallmediziner sind Grundvoraussetzung für eine minimale, medizinische Versorgung des Renchtals. Es müssen dringend weitere medizinische Leistungsangebote etabliert werden z.B. ein MVZ mit einer Orthopädie mit Durchgangsarzt, der den OP-Bereich nutzen kann.

SPD/BÜRGERLISTE:
Es wäre sehr vermessen, wenn unsere Fraktion hier Vorschläge machen würde, die in diesem Stadium eigentlich nur von Experten und profunden Kennern der Strukturen im Gesundheitssystem erarbeitet werden können.
Deshalb brauchen wir jetzt einen Expertenrat, bespickt mit kompetenten Vertretern von Förderverein, Runder Tisch, Politik und evtl. auch externen Beratern, um konkrete Nachnutzungsinhalte zu erarbeiten.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Der Umzug des MVZ sind ein guter Schritt zur Sicherung des Standortes, ebenso die geburtshilfliche Vor- und Nachsorge der sogenannte Hebammenstützpunkt, warum man dann aber die Geburtsstation geschlossen hat, die nun in Offenburg baulich erweitert werden muss, kann ich nicht nachvollziehen. Es wäre sicher wünschenswert, wenn einige Fach- und Hausärzte ins Krankenhaus umziehen würden auch um gemeinschaftlich OP’s und teure Geräte wie CT und MRT zu nutzen um dadurch Kosten zu senken und medizinische Dienstleistungen anzubieten, die es bisher in Oberkirch nicht oder nicht mehr gibt. Außerdem war es immer ein Wunsch von Oberkirch, Betten für die wohnortnahe Genesung älterer Mitbürger anzubieten. Darüber hinaus gab es den Gedanken eine gereartrische Klinik in Oberkirch einzurichten, was gut zu unserem Haus passen würde.

BfO:
Wir bestehen bei dem künftigen Zentrum für Gesundheit auf einer rund um die Uhr  Notfallversorgung! Eine 2 Stunden Versorgung Abends und wenige Stunden  an Wochenenden ist nicht ausreichend sondern eher fahrlässig. Unfälle lassen sich nicht planen! Deshalb muss statt eines ZGO (Zentrum für Gesundheit Oberkirch), wenn es diesem Anspruch genügen soll in ein IGZ (Intersektorales ZGO)  mit erweiterter ambulanter Versorgung mit stationären Betten umgestaltet werden. Dies wurde 2018 von der Beraterfirma Oberender, Bayreuth im Auftrag der kassenärztlichen Vereinigung vorgeschlagen.

Wie wollen Sie und Ihre Fraktion dafür sorgen, dass die medizinische Versorgung des Renchtals in der Zukunft sichergestellt wird?

CDU:
Wir werden die Arbeit der fünf Kreistäte aus dem Renchtal, des Fördervereins und des Runden Tisches konstruktiv begleiten, damit wir eine akzeptable Lösung erreichen können. Dies muss nun behutsam angegangen werden. Mit dem Abschluss eines neuen Vertrages über die Nutzung des Oberkircher Krankenhauses zwischen der Stadt Oberkirch und dem Kreis müssen wichtige Richtlinien festgelegt werden. Hier darf sich der Gemeinderat nicht das Heft aus der Hand nehmen lassen und muss seinen Forderungen Nachdruck verleihen. Zudem sollte ein überregionales Netzwerk mit Ärzten und anderen Aktiven des Gesundheitswesens gesponnen werden, um das Bestmögliche für die Bevölkerung des Renchtals zu erzielen. Des Weiteren sollten die Gespräche mit Herrn Hacker von der Firma Oberender forciert werden. Herr Hacker hatte dem Gemeinderat ein positives Bild für ein Konzept die Nachnutzung gezeichnet. Die Aussage des Präsidenten der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, sollten Beachtung finden, nämlich, dass das Gesundheitswesen nicht weiter ausgedünnt und auf reine Kosteneffizienz getrimmt werden dürfe. Was uns immer noch Sorgen bereitet ist die Finanzierung der Agenda 2030 mit den beiden Neubauten in Offenburg und Achern. Es gibt zwar die Zusage von Minister Lucha, die beiden Neubauten mit 60 % Landeszuschuss umzusetzen. Dies erscheint mir vor dem Hintergrund der coronabedingten Finanzlage des Landes nicht machbar. In den kommenden Jahren wird mit einem jährlichen Defizit von bis zu 4 Mrd. Euro im Landeshaushalt gerechnet. Hier schlage ich ein Moratorium für die beiden Neubauten vor. Es ist dringend ein Kassensturz notwendig, um die Finanzierung seriös zu sichern. Dies auch vor dem Hintergrund, die Finanzen der Kommunen nicht durch immer weitere Erhöhungen der Kreisumlage zu strapazieren. Es muss dringend eine Priorisierung erfolgen, die da lautet: Neubau in Offenburg vor einem Neubau in Achern.

SPD/BÜRGERLISTE:
Durch die Umwandlung des Krankenhauses in ein Zentrum für Gesundheit müssen ja neue vertragliche Vereinbarungen zwischen dem Kreis und der Stadt Oberkirch ausgehandelt werden. Damit ist die Tür noch ein Stück weit geöffnet, um mit konkreten und konstruktiv erarbeiteten Ideen und Konzepten auf die Ausgestaltung eines neuen Vertrages Einfluss nehmen zu können. Selbstverständlich unterstützen wir diese sich bietende Möglichkeit.
Wir sollten den Blick jetzt nach vorne richten und darauf vertrauen, dass das Zentrum für Gesundheit Oberkirch eine gute Zukunft vor sich hat.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Wir als Fraktion können eigentlich nur unseren OB immer wieder darin bestärken sich für das Oberkircher Krankenhaus im Kreistag einzusetzen und unsere Kreisräte und Landtagsabgeordneten dazu auffordern, eine gute Lösung für unser Krankenhaus zu unterstützen und auch unseren Sozialminister an die zugesagten finanziellen Mittel für die Agenda 2030 zu erinnern, die auch dem Oberkircher Haus zugutekommen. Außerdem werden wir uns auch für die Stärkung der DRK Rettungswache in Oberkirch stark machen, damit wenigstens diese wichtige Infrastruktur in unserer Stadt erhalten und vielleicht sogar gestärkt werden kann.

BfO:
Wir legen Wert auf eine Sicherstellung einer medizinischen Versorgung des Renchtals in der Zukunft. Wie können wir das erreichen. Wir, die BfO, haben schon sehr früh festgestellt, dass mit der beschlossenen Schließung des Stationären Bereichs die Geschäftsgrundlage des Überlassungsvertrages von 1976 mit dem Kreis entfallen ist. Dem Gemeinderat obliegt es somit, einen neuen städtebaulichen Vertrag mit den Kreis zu vereinbaren. Hier wird der Gemeinderat sicher Manns genug sein auf eine zeitgemäße Gesundheitsversorgung Oberkirchs und natürlich auch des Renchtals zu bestehen. Wir werden alle entsprechenden Schritte sorgsam prüfen und uns nicht mit vagen Versprechungen abfinden.
Dieser Beschluss ist für das Funktionieren einer „sogenannten“ Großen Kreisstadt nicht würdig. Außerdem kommt die vorzeitige Schließung Oberkirchs 9 Jahre vor der Agenda 2030 wohl nur deshalb zustande, weil längst beschlossen wurde, in Achern einen völlig überdimensionierten und unnötigen Neubau an der nördlichen Kreisgrenze zu bauen. Da hat das Netzwerk eines OB Muttach in guter Kooperation mit den Herren Scherer und Keller halt sehr gut funktioniert. Und- dass den Kreisräten aus Achern, Lahr und Offenburg  und der unmittelbaren Umgebung als Nutznießer dieser Entscheidung die medizinische Versorgung des ländlichen Raumes nicht sonderlich wichtig ist, spricht nicht für eine Kreisverantwortung. Da allerdings 5 von 7 Kreisräten des Renchtals auch für die Schließung stimmten, gibt der Mehrheit sogar noch ein gutes Gefühl, alles richtig gemacht zu haben.
Dass von dieser Mehrheit diesen sogar noch Respekt für die Zustimmung der Schließung gezollt wird grenzt ja schon an Heuchelei!

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