Was ist seit der Schließung des Krankenhauses passiert, wie steht das sogenannte Zentrum für Gesundheit heute da und was ist in Planung?
Das Krankenhaus wurde am 3. September 2021 geschlossen. Zum 1. Oktober 2021 gab es einen Umzug einer bereits in Oberkirch seit Jahrzehnten ansässigen orthopädischen Praxis (war schon ein MVZ des Ortenaukreises) aus angemieteten Räumen in einem zentralen Geschäftshaus in die Räumlichkeiten des alten Krankenhauses (Mietersparnis). Die einzige Neuerung im „Zentrum für Gesundheit Oberkirch“ war die BG-Zulassung eines ärztlichen Mitarbeiters.
Nachfolgekonzept ein GOODWILL des Kreises ???!!!
Bemerkenswert daran war, dass dieser Umzug und der Beginn entsprechender Umbaumaßnahmen im ehemaligen Krankenhaus vor Klärung der bestehenden „Heimfall“-Klausel des alten Überlassungsvertrags aus dem Jahre 1976 durchgezogen wurden. Lt. diesem Vertrag hätte die Stadt Oberkirch nach Wegfall des reinen Krankenhausbetriebs das Krankenhausareal wieder beanspruchen können. Eine eventuelle neue vertragliche Regelung wurde zunächst um 6 Monate verschoben, während dieser Zeit wurden die Umbaumaßnahmen fortgesetzt. Schließlich wurde einem neuen sogenannten „städtebaulichen Vertrag“ zwischen Kreis und Stadt zur kostenlosen Überlassung der Gebäude und des Areals vom Gemeinderat am 4. April diesen Jahres zugestimmt – wobei in den Redebeiträgen der Gemeinderäte der Vertrauensverlust, besser das Misstrauen und der Ärger gegenüber dem Kreis deutlich wurde (siehe Gemeinderats-Protokoll inkl. Stellungnahmen des Oberbürgermeisters und der Fraktionssprecher und der neue Vertrag mit Definition des „Mindestangebots“). Der Gipfel in der Diskussion: „Oberkirchs OB Matthias Braun bezeichnete das als „Goodwill des Kreises“, denn zur Sicherung der medizinischen Versorgung der Raumschaft sei der Kreis nicht verpflichtet, ein Zentrum für Gesundheit in Oberkirch zu betreiben“. (ARZ vom 6.4.2022)
Waren mal nicht im früheren Agenda-Beschluss 2018 die Fortführung des Krankenhauses bis 2030 und dann anschließend die Fortführung des Hauses als sogenannte „Portalklinik“ beschlossen worden? Ach ja, da sollten ja auch nur Gesamtkosten für die gesamte „Agenda 2030“ bei maximal 524 Mio. Euro (Stand 2020 1,3 Mrd. Euro, seitdem keine veröffentlichten neuen Berechnungen) dem Beschluss zu Grunde liegen – Ironie aus!
Die Möglichkeit, das Krankenhaus Areal in städtisches Eigentum zu überführen, an den Ortenaukreis zu vermieten und die notwendigen Renovierungs- und Umbauarbeiten dann in dem Mietzins einzuberechnen, war offensichtlich für die Stadtverwaltung und den Gemeinderat keine Option.
Notfallsprechstunde nur Zusatz für Sprechstunden der niedergelassenen Ärzte
Es wurde eine tägliche 2-stündige Notfallsprechstunde eingerichtet, werktags von 19.00- 21.00, Sa. und So. von 09.00- 11.00, die im Wechsel von vier Ärzten betreut wird. Es handelt sich um Fachärzte für Innere oder Allgemein-Medizin. Diese Notfallsprechstunde dient im Prinzip als Zusatz außerhalb der Sprechzeiten der niedergelassenen Ärzte und entlastet den hausärztlichen Notdienst (im Ortenaukreis in Offenburg angesiedelt), der ja bundesweit unter der Nummer 116117 erreichbar ist. Sie ersetzt aber in keiner Weise eine chirurgische Ambulanz. Die Röntgeneinrichtung, die im Zentrum für Gesundheit vorhanden ist, kann nicht benutzt werden, da keine Röntgen-Assistentin zur Verfügung steht. Auch der D-Arzt steht abends nicht zur Verfügung. So können häusliche u. betriebliche Verletzungen nur partiell versorgt werden. Patienten mit möglicherweise schwereren Verletzungen werden in die völlig überlasteten Notfallambulanzen des Ortenau-Klinikums in Offenburg oder Achern mit stundenlangen Wartezeiten verwiesen.
Derzeitige Nachnutzung verdient den Namen „Zentrum für Gesundheit“ nicht!
Nach wie vor gibt es keinen Ersatz für die internistische Abteilung mit der Möglichkeit, entgleiste, chronische Krankheitsbilder, entgleister Diabetes, Hochdruckkrise, Entleerungsstörungen von Blase und Darm, ortsnah und stationär abzuklären bzw. zu stabilisieren.
Deshalb müssen an diesen Krankheiten erkrankte Senior:Innen aus dem hinteren Renchtal häufig mit dem Rettungswagen (RTW) in das weit entferntere Klinikum Offenburg gebracht werden, verbunden mit den schon angesprochenen überlangen Wartezeiten in den Notfallambulanzen. Der RTW ist in dieser Zeit für Notfalleinsätze blockiert.
Die Notfallsprechstunde wurde bis zum September 2031 vertraglich zugesichert – da sie nach den gemachten Erfahrungen für Notfälle immer weniger angelaufen wird, wird man irgendwann sagen, sie ist nicht erforderlich und wird sie wohl doch vorher einstellen.
Schon vor der Schließung des Krankenhauses war ein Hebammenstützpunkt eingerichtet worden – zur Vorbereitung der Mütter vor der Geburt und Unterstützung der Mütter nach der Geburt.
Es stehen für Ambulantes Operieren zwei Operationssäle zu Verfügung, die 2017 von Grund auf renoviert und auf dem neuesten Stand sind: Aber bisher führt nur eine niedergelassene Augenärztin seit Januar an einem Tag in der Woche Katarak-OPs durch. Ansonsten werden die OP-Säle nicht genutzt.
Nachdem die Stadt Oberkirch dem Kreis das Eigentum an dem Krankenhauskomplex überlassen hat, schreitet dort der Bau des kreiseigenen Pflegeheims voran. Es ist weithin bekannt, dass (außerhalb der Energiekrise) mit Pflegeheimen eine durchschnittliche Rendite von 3 % erzielt wird – die Stadt Oberkirch hat keinen Anteil daran.
Das ist die derzeitige Nachnutzung des geschlossenen Krankenhauses, das die Bezeichnung „Zentrum für Gesundheit“ kaum verdient. Aber diese Nachnutzung korreliert mit dem vertraglich festgelegten „Mindestangebot“ aus dem neuen Überlassungsvertrag!
Der Kreis hält seine Zusagen zwar ein, aber von einer adaequaten Gesundheitsversorgung kann nicht die Rede sein! Diese Situation und wie man sie irgendwie verbessern kann, wird sicher im anstehenden OB-Wahlkampf (1. Wahlgang 4. 12.) auch eines der Topthemen werden. Zufriedenheit der Bürger sieht anders aus!
„Tolle Medizin“: Fehlinterpretation des Auftrags der Gesundheitsversorgung in Kreiskliniken:
Der Geschäftsführer des MVZ Ortenau Rainer Bühn, beauftragt mit der Umsetzung des „Zentrums für Gesundheit Oberkirch“, hat Versuche unternommen, das von uns auch gewünschte Zusatzangebot eines internistischen Arztsitzes für das Oberkircher Zentrum zu gewinnen. Dies ist nach unserer Meinung eine wichtige Voraussetzung zur Umsetzung der sogenannten „Genesungsbetten“. Dies scheint aber am Widerspruch der niedergelassenen Ärzte zu scheitern, die das Renchtal internistisch gut aufgestellt sehen. Das mag aus Sicht der Ärzte richtig sein, aus Sicht der Patienten ist dies nicht. Vielleicht liegt dem Widerstand der Ärzte zugrunde, dass zum einen die Verantwortlichen nicht vorab das Gespräch mit den niedergelassenen Ärzten gesucht haben, sicher liegt es aber auch an dem verwendeten Allgemeinbegriff des „Internisten“: Die Bezeichnungen „Gastroenterologie“ oder „Endoskopie“ wären vielleicht besser gewesen, denn gerade für Magen- und Darmspiegelungen wird man von den niedergelassenen Ärzten an Fachärzte außerhalb Oberkirchs überwiesen. Dem Wunsch der niedergelassenen Ärzte nach einem Chirurgen im sogenannten Zentrum für Gesundheit Oberkirch unterstützen wir sehr gerne (das hatte eigentlich unsere Forderung nach einem D-Arzt beinhaltet): Schon das Nähen einer kleinen Wunde ist nicht in jeder Allgemeinpraxis gängig, sondern es ist eher häufiger der Fall, den Landrat Scherer in einer öffentlichen Veranstaltung eigentlich ausgeschlossen hatte: Dass man wegen eines blutenden Fingers in die Notaufnahmen in Offenburg oder Achern fahren muss – was auch aus unserer Sicht sicher nicht der Sinn einer Notfallaufnahme ist. Zusätzlich könnte ein Chirurg die leerstehenden OP-Säle für ambulante OPs im Haus nutzen.
Das Ganze ist ein ärgerliches Beispiel, wie man vorbei an ortsansässigen Gesundheitserbringern Dinge beschließt und umzusetzen versucht, die an den Bedürfnissen der Menschen vorbeigehen.
Geschäftsführer Keller lieferte am 14. Oktober in einem Interview mit der Mittelbadischen Presse (leider hinter Bezahlschranke) eine völlige Fehlinterpretation des Auftrags der Gesundheitsversorgung in Kreiskliniken:
„Die Neubauten werden nicht nur nachhaltig sein, sondern die Patientenzimmer werden auch klimatisiert sein, wir haben kurze Wege. Dadurch, dass wir weniger Häuser haben, können wir eine tolle Medizin anbieten. Wir haben keine Sorge, dass wir einen Aderlass haben werden. Im Gegenteil: Wir haben den Auftrag, für die rund 435.000 Menschen im Ortenaukreis eine super Versorgung sicherzustellen und die Bevölkerung wächst.“
Schön, wenn alle außer den Patienten kurze Wege haben, die Patienten haben diese nicht! Der Auftrag eines Betreibers von Kreiskliniken ist sicher nicht eine „Super-Versorgung“ oder gar „tolle Medizin“ in wenigeren Standorten (Häusern) zu haben, sondern wie in einer kommunalen Gesundheitskonferenz klar formuliert: Ortsnahe, zeitnahe und solide Basisversorgung!
Für „tolle Medizin“ stehen ja immer noch das Universitätsklinikum in Freiburg, das Großklinikum in Karlsruhe oder als weiteres Beispiel das Tumorzentrum in Heidelberg zu Verfügung. Denn wenn heute jemand an einer ernsthaften Erkrankung leidet, informiert er sich als Patient, wer in Deutschland oder evtl. auch über die nationalen Grenzen hinweg am besten für eine Behandlung in Frage kommt, da ist die Entfernung zweitrangig. Der fährt im Zweifel auch nach Berlin oder Hamburg – nicht unbedingt jetzt und in Zukunft nach Offenburg!