Nachnutzung 2030 Verträge

Eine „Nachnutzung“ braucht neuen Vertrag

Pressemitteilung des Runden Tischs Krankenhaus Oberkirch

Als die Agenda 2030 verabschiedet wurde, wurde unter dem Stichwort „Modell Landrat“ für die Versorgung des Renchtals folgende Perspektive einer Portalklinik für die Zeit bis 2030 zugrunde gelegt:
Eine Portalklinik ist eine stationär geprägte Einrichtung mit eher geringer Bettenzahl, die eine stationäre Basisversorgung mit örtlich begrenzter Reichweite sowie eine gewisse notfallmäßige Versorgung sicherstellt…

Dieses Konzept wurde im Rahmen der Kommunalen Gesundheitskonferenz erweitert um das innovative Element der Genesungsbetten für die Nachsorge der früh entlassenen Klinikpatienten.

Entgegen dieser Beschlusslage hat die Klinikverwaltung alles getan, Oberkirch vorzeitig zu schließen. Mit der Verlegung der Geburtshilfe und der Verlagerung der Operationstätigkeit von Dr. Schweikert wurde dem Haus die wirtschaftliche Grundlage entzogen. Die angeblich durch Corona bedingte Schließung der Klinik für knapp ein halbes Jahr hat ihr schwer geschadet. Nach der Wiedereröffnung wurde für Oberkirch keine Werbung gemacht. Es war nicht einmal möglich, die verfügbaren Leistungsangebote zu benennen. Da ist es kein Wunder dass die Auslastung zurzeit nur 50% sein soll. Angeblich sind auch noch Baumängel und Feuerschutzauflagen zu beheben. Da fragt man sich, warum das nicht während der Zwangspause erledigt wurde.

Nachdem die CDU und die SPD-Fraktion im Kreistag ein gemeinsames Konzept einer „Zweiten Säule“ mit starker Einbindung der niedergelassenen Ärzte unter eigenständiger Führung eingereicht hat, hat sich die Klinikverwaltung um ein eigenes Konzept unter eigener Führung bemüht. Es geht in die richtige Richtung, lässt allerdings so viele Fragen offen, dass man an der Ernsthaftigkeit zweifeln muss. Der Vorschlag, die Genesungsbetten mit Spenden, Zuschüssen des Fördervereins oder privaten Zuzahlungen zu finanzieren, wirkt provozierend. Und mit der Umbaudauer von 3 Jahren soll wohl bewiesen werden, dass es auch ohne Oberkirch geht.

Wenn sich die Kreistagsmitglieder des Renchtals in der GKA Sitzung nicht mit reinen Absichtserklärungen zufrieden geben, liegt das sicher an den Erfahrungen, wie schnell alte Beschlüsse in Frage gestellt werden. Die Gesundheitsversorgung des Renchtals ist zu wichtig, als dass man sie nur unter Einsparungsgesichtspunkten entscheiden kann.  Man kann sie auch nicht einer Klinikgeschäftsführung überlassen, die in erster Linie an den Klinikneubauten und der Gesundheitsversorgung entlang der Rheinschiene interessiert ist.

Für die Finanzierung der Genesungsbetten müssen aufgrund individueller Vereinbarungen Teile der Pauschalvergütung herangezogen werden, die die Krankenkassen den Kliniken zahlen. Bei einem solchen Interessenkonflikt ist es keine gute Lösung, wenn der Klinikgeschäftsführer auch für die Gesundheitszentren zuständig ist.

Einen Ansatzpunkt für eine rechtlich verbindliche vertragliche Lösung, die nicht jederzeit durch Kreistagsbeschluss in Frage gestellt werden kann, bietet der Überlassungsvertrag von 20.12.1976. Darin hatte sich der Kreis verpflichtet, die Grundversorgung der Raumschaft zu erhalten und nach den ihm gegebenen Möglichkeiten  auszubauen.

Wenn jetzt das Krankenhaus in ein Pflegeheim umgewandelt werden soll, ist eine Vertragsanpassung erforderlich. In diesem Vertrag müssen dann auch die Bestimmungen D-Arzt-Bestellung, Notarzt/Notfallstandort, Notfallpraxis, Kontingente der Betten für Kurzzeitpflege, Genesungs- und Palliativbetten verbindlich geregelt werden. Ferner  muss auch für die notwendigen Baumaßnahmen der Zeitpunkt (erst nach Förderzusage des Landes zur Agenda 2030 und nach der Erweiterung der Notfallversorgung in Offenburg) und die Dauer (es geht sicher schneller als in drei Jahren) festgelegt werden.

Resolution Nachnutzung Krankenhaus Oberkirch

Gemeinsame Resolution des Gemeinderats der Stadt Oberkirch zur Nachnutzung des Ortenau Klinikums Oberkirch

Folgende Resolution wurde einstimmig am 19. Oktober verabschiedet:

Gemäß Agenda-Beschluss vom 24. Juli 2018 sollen die stationären Standorte in Oberkirch, Kehl und Ettenheim bis zum Jahr 2030 bzw. mit Fertigstellung der Neu oder Umbaumaßnahmen in Offenburg, Lahr, Wolfach und Achern nach dem „Modell Landrat“ bedarfsgerecht fortgeführt werden. Eine vorzeitige Nachnutzung so wie jetzt am Standort Oberkirch geplant, entspricht nicht dem Agenda-Beschluss vom 24. Juli 2018.

Im Überlassungsvertrag von 1976 hat sich der Landkreis juristisch bindend verpflichtet, eine solide, medizinische Versorgung Oberkirchs und des Renchtal sicherzustellen. Der Beschluss des Kreistages vom Juli 2018 zur „Agenda 2030“, in dem diese Versorgung zugesagt wurde, darf nicht aus Einsparungsgründen ausgehebelt werden.

Der Gemeinderat unterstützt grundsätzlich die Vorschläge zur 2. Säule der Gesundheitsversorgung im Ortenaukreis mit Schaffung von „Zentren für Gesundheit“.
Diese Vorschläge decken sich weitgehend mit den Forderungen des „Runden Tisches Krankenhaus Oberkirch“. In einem Positionspapier wurde diese den Fraktionen des Gemeinderates, der kommunalen Gesundheitskonferenz (KGK) und der Kreisverwaltung vorgelegt. Dieses Positionspapier ist Bestandteil dieser Resolution.

In der Sitzung des GKA am 20. Oktober 2020 wird über eine Nachnutzung des Krankenhausstandortes Oberkirch beraten und dem Kreistag zur Beschlussfassung empfohlen werden.
Diese Beschlussempfehlung steht nicht im Einklang mit dem gefassten Beschlüssen zur „Agenda 2030“ vom Juli 2018.
Der Gemeinderat fordert, dass für Oberkirch und das Renchtal auch künftig eine Nachnutzung benötigt wird, die einer bedarfsgerechten medizinischen Versorgung im ländlichen Raum gerecht wird. Hierzu gehört auch und insbesondere das Angebot einer ambulanten Notfallversorgung am Standort Oberkirch.

Die Ärzte in der Praxis für Orthopädie des MVZ Ortenau GmbH behandeln lediglich konservativ. Somit fehlt das Angebot einer ambulanten chirurgischen Notfallbehandlung. Es gäbe für Oberkirch und das Renchtal keinen Durchgangsarzt mehr, d. h. Arbeitsunfälle könnten nicht mehr in Oberkirch behandelt, sondern müssten unter Inkaufnahme von stundenlangen Wartezeiten in Offenburg oder Achern behandelt werden. Hier ist das MVZ Orthopädie mit einem Unfallchirurgen zu verstärken.

Wir brauchen dringend eine ambulante Notfallversorgung mit ausreichender zeitlicher Abdeckung für Oberkirch und das Renchtal über die üblichen Sprechzeiten hinaus. Die nach den KVBW angegebene Erreichbarkeit einer Notfallpraxis innerhalb von 20 bis 30 Autominuten im oberen Renchtal ist nicht gewährleistet. Hier fehlt es an den entsprechenden Beschlüssen des Kreistages zum Betrieb und zur Finanzierung. Dabei ist auch das Gutachten des Bereichsausschusses zum Rettungsdienst mit einzubeziehen, denn die ambulante Notfallversorgung kann nicht ohne Einbeziehung des Rettungsdienstes betrachtet werden.

Eine Notfallpraxis mit ausreichender zeitlicher Abdeckung für Oberkirch und das Renchtal wird dringend gebraucht. Die Einrichtung einer sogenannten „Notfallpraxis“ scheitert an der Zustimmung der kassenärztlichen Vereinigung. Beschlüsse des Kreistages bezüglich des Betriebs und der Finanzierung durch den Landkreis stehen noch aus.

Die 44 Pflegebetten sind für die stationäre Pflege SGB XI, die Kurzzeitpflege und die Genesungsbetten vorgesehen. Es ist fraglich, ob der Landkreis als Träger einer weiteren Pflegeeinrichtung tatsächlich wesentliche Marktanteile dazu gewinnen kann. Die Notwendigkeit von Kurzpflegeplätzen ist dagegen unbestritten.

Wir erwarten vom Landkreis auch eine eindeutige Aussage, wie die Durchführung von ambulanten Operationen in Oberkirch durch das Ortenau Klinikum zur Entlastung der Akutkrankenhäuser und eine Verbesserung der Einnahmensituation erfolgen soll.

Eine Beschlussfassung des Kreistages sollte ohnehin erst erfolgen, wenn:

  • der Schlussbericht der Ergebnisse der Kommunalen Gesundheitskonferenz vorliegt. Die Ergebnisse konnten noch nicht beraten werden.
  • das Projekt des Sozialministeriums Baden-Württemberg für den Aufbau einer vor- und nachgeburtlichen Hebammenversorgung in Oberkirch und dem Renchtal, um das wir uns erfolgreich beworben haben, abgeschlossen. Derzeit werden gerade die sogenannten Vernetzungsgremien für die Erarbeitung einer Konzeption besetzt.
  • das Gutachten für die aktuelle Situation im Rettungswesen, insbesondere auch im Renchtal, vorliegt. Sie ist eine wichtige Grundlage für die Nachnutzung Oberkirch.

Abschließend stellt der Gemeinderat fest, dass eine vorgezogene Nachnutzung für Oberkirch nur in Betracht kommt, wenn das Ortenau Klinik eine adäquate Nachnutzung vorlegt, die einer bedarfsgerechten medizinischen Versorgung im ländlichen Raum entspricht.
Die vorliegende Konzeption wird den Ansprüchen für eine notwendige medizinische Versorgung für Oberkirch und für das Renchtal nicht gerecht.

ARZ-Bericht zur Verabschiedung der Resolution: https://www.bo.de/lokales/achern-oberkirch/oberkircher-gemeinderat-verabschiedet-resolution