Stellungnahme zum Finanzierungskonzept Agenda 2030 vom 22.9.2020

Das zur Sitzung des GKA am 22. 9. 2020 vorgelegte Konzept lässt viele Fragen offen. Die vorgeschlagene Finanzierung ist unzureichend.

  1. Ausgangspunkt: Keine Planung ohne Finanzierung
    Aus einem Presse-Interview sind uns noch die mahnenden Worte von GF Keller in Erinnerung, keine Investition zu planen deren Finanzierbarkeit nicht gesichert ist.
    Er wies darauf hin, dass dies häufig in einer mit hohen Verlusten verbundenen Privatisierung endet.
    Im vorgelegten Konzept sind keine ausreichenden Mittel für den Fortbestand der neuen Krankenhäuser geplant.
  2. Laufende Betriebsverluste nicht gedeckt
    Bis 2030 werden Betriebsverluste von 280 Mio € erwartet. Das vorhandene Eigenkapital von 66 Mio € (2019) wird durch laufende Verluste in kurzer Zeit aufgezehrt. Die vorgesehenen Eigenkapitalzuschüsse von 10 Mio € decken nicht einmal die Hälfte der erwarteten Verluste.
    Das Eigenkapital ist in erster Linie zur Verlustdeckung heranzuziehen. Werden die Eigenkapitalzuschüsse des Kreises hierzu benötigt, stehen sie zur Finanzierung der Klinikneubauten nicht zur Verfügung.
    Wenn die Kreistagsmitglieder zur Schonung ihrer kommunalen Kassen nicht bereit sind, vorab die laufenden Verluste zu finanzieren, sollten sie kein größeres Investitionsvorhaben beginnen.
  3. Ermächtigung zur Erhöhung der Kreisumlage
    Die Beschlussvorlage enthält unter Punkt 2.4 einen Anpassungsvorbehalt, durch den die notwendige Nachfinanzierung in Zukunft ohne erneuten Kreistags- oder Ausschuss-Beschluss über eine Erhöhung der Kreisumlage „kompensiert“ werden kann. Dies bedeutet faktisch eine weitgehende Ermächtigung für die Kreisverwaltung zur Erhöhung der Kreisumlage und damit der finanziellen Belastung der Kommunen ohne Kontrolle durch den Kreistag bzw. den zuständigen Ausschuss!
  1. Erhaltung des Eigenkapitals nicht gesichert
    Das Finanzierungskonzept berücksichtigt nicht die notwendigen Maßnahmen zur Erhaltung des betriebswirtschaftlich erforderlichen Eigenkapitals. Laufende Abschreibungen und die Stilllegungen von Betriebsstätten werden mit dem Eigenkapital verrechnet. Durch die laufenden Verluste und die beabsichtigten Schließungen (Abschreibungen) wird das Eigenkapital aufgezehrt.
    Ohne Eigenkapital wird auch kein seriöser Kreditgeber bereit sein, langfristige Darlehen zu geben.
  2. Künftige Gewinne nicht plausibel
    Nach dem Konzept sollen künftige Gewinne zur Finanzierung herangezogen werden.
    Die Herkunft dieser Gewinne ist nicht durch irgendwelche Planungen belegt. Ein Großteil der Kosten sind Personalkosten, die man im klinischen Bereich nicht weiter reduzieren kann.
    Ein Neubauvolumen von 1,3 Mrd € hat laufende Abschreibungen zur Folge, die höher sind als die bislang kommunizierten Gewinnerwartungen.
  1. Fortlaufender Finanzierungsbedarf nicht berücksichtigt
    Bei Kliniken müssen zum Erhalt der Unternehmenssubstanz jährlich 7-8% des Umsatzes neu investiert werden (RWI Krankenhaus Rating Report vom 18.6.2020). Wenn Überschüsse entstehen sind sie zunächst hierfür zu verwenden und stehen zur Schuldentilgung nicht zur Verfügung.
  2. Kreditfinanzierung nicht gesichert
    Wenn Investitionsentscheidungen dieser Größenordnung fast vollständig mit Krediten finanziert werden sollen müssen vorab entsprechende Finanzierungszusagen verhandelt werden. Dies gilt insbesondere angesichts der durch Corona stark gestiegenen öffentlichen Schuldenlast. Beleihungsvolumen, fehlendes Eigenkapital und ungesicherte Kreditrückzahlung werden Kreditgeber abschrecken. Die Kreditaufnahme kann auch haushaltsrechtlich im Rahmen der gebotenen Haushaltskonsolidierung reglementiert werden.
  3. Generationengerechtigkeit berücksichtigen
    Die vollständige Kreditrückzahlung ist erst nach 30 Jahren vorgesehen. Das widerspricht der Generationengerechtigkeit. Nach 30 Jahren wird die Klinik voraussichtlich sanierungsbedürftig sein, Diese Generation wir durch Rückzahlung und Sanierungskosten doppelt belastet.
  4. Finanzierung der Nachnutzung offen
    Erfreulich ist, dass ein Investitionsvolumen für die Nachnutzung genannt wir. Allerdings sind die hiermit zu finanzierenden Maßnahmen nicht erkennbar. Sollen aus diesem Betrag die künftigen Träger der lokalen Gesundheitsversorgung (MVZ?) die bestehenden Kliniken dem Ortenau Klinikum abkaufen? Ein Konzept zur Nachnutzung muss dringend entwickelt und beschlossen werden.
  5. Planung reduzieren oder Finanzierung erhöhen
    Für das Investitionsvorhaben Agenda 2030 ist die Finanzierungsdecke zu kurz. Man muss entweder den Finanzierungsrahmen bedarfsgerecht ausweiten oder das geplante Investitionsvolumen reduzieren.

Fährt man mit dem Projekt auf der im Finanzierungkonzept konzipierten Grundlage fort, bleibt am Ende – wie von GF Keller angekündigt- eine Investitionsruine, die mit hohem Verlust an einen privaten Investor verkauft werden muss.

Bernd Honsel, 17. September 2020

Krankenhausfinanzierung Kreistagsberatung

Der Klinikgeschäftsführer Keller hat immer wieder darauf hingewiesen, dass die Kommunen vor einer Neubaumaßnahme die Finanzierung sicherstellen müssen. Sonst entsteht mit hohem Aufwand ein kommunaler Neubau, der – wenn die Finanzierungsmittel nicht ausreichen- mit Verlust an einen privaten Investor verkauft werden muss. Damit ist meist eine Spezialisierung auf lukrative Therapien und eine Verschlechterung der Grundversorgung verbunden.

Während Landrat Scherer ursprünglich die Finanzierung der Agenda 2030 erst im Rahmen der Projektabwicklung klären wollte hat er jetzt angekündigt, dass er noch in diesem Sommer hierzu eine Vorlage machen will, die sich an einem von Teilen der CDU und SPD-Fraktion vorgeschlagenen Modell orientieren soll. Dieses Modell wurde bislang nicht veröffentlicht, ist aber in der ARZ und BZ vom 13.2.2020
beschrieben worden.

Bei der Beschlussfassung über ein derartiges Modell haben die Mitglieder des Kreistages eine hohe – auch persönliche – Verantwortung. Es reicht nicht, wenn die geplanten Maßnahmen ihrer eigenen Stadt oder Gemeinde nützen, sie müssen für den Kreis als ganzes beurteilt und notfalls korrigiert werden.

Als die Entscheidung über Erhaltung und Sanierung der bestehenden Häuser oder einen Neubau getroffen wurde,waren unter anderem die Aussichten auf die zu erwartenden Fördermittel des Landes maßgebend. Diese sind beantragt, aber noch nicht zugesagt. Unter der Belastung der öffentlichen Haushalte durch die Coronakrise ist die Verfügbarkeit von ausreichenden Landesmitteln fraglich. Immerhin erwartet die Ortenau einen Zuschuss , der mehr als doppelt so hoch ist wie die im letzten Jahr für alle Krankenhäuser des Landes vorgesehenen Landesmittel.

Solange eine verlässliche Finanzierungszusage nicht vorliegt, ist die Erhaltung und Sanierung der bestehenden Häuser eine Option, die durch vorzeitige Schließungen nicht gefährdet werden darf.

Duales Finanzierungssystem

Die Finanzierung der stationären Krankenhäuser ist in Deutschland gesetzlich geregelt. Zugrundegelegt wird dabei ein duales Finanzierungsverfahren: Für Investitionen sind die Länder zuständig, die Betriebskosten werden im wesentlichen von den Krankenkassen finanziert.

Für einen kommunalen Krankenhausträger (z B. Kreisklinik) ist es eine Erleichterung, wenn es ihm gelingt, das Land zur Investitionen in einen Krankenhausneubau zu motivieren. Auch wenn ein Neubau letztlich unwirtschaftlicher ist kann er für den Krankenhausträger – unterstützt von Gutachtern, Architekten und Lokalpolitikern – attraktiver sein als die Erhaltung der vorhandenen Bausubstanz. Man kennt ein ähnliches Phänomen von der Bahn, die notwendige Sanierungsarbeiten an den Gleisen vernachlässigt um einen vom Bund zu finanzierenden Neubau zu erreichen.

Förderung der grossen Krankenhäuser

Die Aussicht auf staatliche Fördermittel erklärt die Bereitschaft, kleinere Krankenhäuser zu opfern um ein großes Prestigeprojekt durchzusetzen. Die Fördermittel für Investitionen und laufenden Betrieb sind nämlich umso höher, je besser die Ausstattung des Krankenhauses ist.

An einer patientennahen und kostengünstigen Versorgung in bestehenden kleinen Häusern hat die Verwaltung häufig kein Interesse, weil man für die gleiche Behandlung in einem Haus der Maximalversorgung mehr abrechnen kann und auf günstigere Fallzahlen kommt.

Zusätzliche kommunale Finanzierung

Dieses gesetzlich vorgesehene Finanzierungssystem hat leider den Fehler, dass die im Landeshaushalt für die Krankenhausfinanzierung zur Verfügung stehenden Mittel nicht ausreichen.

Seit langem hat sich das – eigentlich gesetzwidrige- Verfahren eingebürgert, dass das Land nur einen Teil der Finanzierung – häufig 50% – zur Verfügung stellt und der Krankenhausträger den Rest übernimmt. Dieser eigenen Finanzierungsanteil ist in den vor den Krankenkassen zu tragenden Betriebskosten nicht enthalten. Durch Spezialisierung, über geschickte Nutzung der Abrechnungssysteme oder durch Kostenreduzierung und Verkürzung der Behandlungsdauer kann man versuchen, die Finanzierungskosten für den vom Land nicht übernommenen Anteil zu decken.

Es wird vermutet, dass die hohe Zahl aufwändiger Operationen in Deutschland mit dieser Schieflage des Finanzierungsmodells zusammenhängt.

Pandemie führt zu erhöhtem Bedarf

Welche Auswirkungen hat die Coronakrise auf das bisherige Modell der  Krankenhausfinanzierung?
Zunächst einmal ist die Bedarfsberechnung zu überprüfen. Für Pandemie- Situationen , die auch in Zukunft immer wieder vorkommen können, sind zusätzliche Kapazitäten vor zuhalten. Eine Erhöhung der Auslastung auf über 80% lässt praktisch keinen Pandemie- Puffer. Daneben sind kleine Häuser leichter in Quarantäne zu halten als große Kliniken.

Weniger öffentliche Mittel verfügbar

Die für einen Neubau zur Verfügung stehenden Mittel werden in der Haushaltsplanung des Landes massiv unter Druck kommen, weil andere dringende Fördermaßnahmen vorrangig sein werden.

Das bisherige Diagnosebasierte Vergütungssystem (DRG) wird auch von namhaften
Gesundheitspolitikern zunehmend in Frage gestellt. Erforderlich ist eine gesetzliche Neuregelung des Finanzierungssystems, bei der auch die Frage zu stellen ist, ob die Kliniken als Teil der Daseinsvorsorge oder als gewinnorientierter Betrieb zu sehen sind.

Verlagerung der stationären Behandlung in die Ambulanz

Wenn die Bettenzahl durch eine Verkürzung der Liegezeiten reduziert wird, müssen die Genesenden kurzfristig anderweitig untergebracht werden. Für die hierfür erforderlichen Genesungsbetten, die nicht als stationär gelten, gilt das KrankenhausfinanzierungG nicht. Die hierfür notwendigen Investitionen sind überwiegend wiederum durch die öffentliche Hand als Träger der Einrichtung (Medizinisches Versorgungszentrum MVZ oder Pflegeheim) aufzubringen. Eine Mit-Finanzierungspflicht des Landes gibt es hierfür nicht.

Finanzierungsrisiko trifft Kommunen

Wenn dennoch der Krankenhausträger in dieser unklaren Situation Investitionen plant und in
Auftrag gibt riskiert er, auf den Kosten hängen zubleiben ohne Aussicht auf Refinanzierung. Es bleibt dann nur die Finanzierung aus anderweitigen Einnahmen wie Steuern, Gebühren und Kreisumlage, die zu Lasten der – durch Corona ohnehin notleidenden – Kommunen und Betriebe gehen würde. Hat die Verwaltung vorab in der Hoffnung auf große Investitionen die kleinen Häuser heruntergewirtschaftet wird sich das bei Scheitern der Finanzierung bitter rächen.

Verantwortung der Mitglieder der Verwaltung und des Kreistags

Zu Recht werden die Bürger fragen, warum sie hohe Mittel aufwenden müssen zur Erhaltung eines Versorgungsniveaus, das vorher ganz zufriedenstellend und örtlich vielleicht besser war.

Auch die Frage nach der persönlichen Verantwortung der handelnden Personen wird dann gestellt werden. Dies umfasst nicht nur die Mitglieder der Verwaltung , sondern auch die Angehörigen der kommunalen Gremien, die ohne ausreichende Klärung der Voraussetzungen die kleinen Häuser heruntergefahren und die Investitionen beschlossen haben. Die Frage der Finanzierbarkeit gehört an den Beginn der Planung und nicht erst zur Umsetzung.

Offene Fragen zur Finanzierung

Folgende Fragen sollten im Zusammenhang mit der Finanzierung der Agenda 2030 gestellt und beantwortet werden:

  • Welchen Anteil der 1,3 Mrd € Investitionsvolumen übernimmt das Land?
  • Sind in dieser Summe die Kosten der künftigen Geräteausstattung enthalten?
  • Welchen Anteil übernehmen private Investoren?
  • Bisher wurde über die Investitionen gesprochen. Welche zusätzlichen Haushaltsbelastungen ergeben sich über das Betriebsergebnis oder Abschreibungen auf das Eigenkapital?
    – im laufenden Geschäftsbetrieb des Ortenau Klinikums
    – aus den Auswirkungen Corona
    – aus der Schließung von Häusern ( Abschreibung, Umzugskosten, Sozialplan etc)
    – aus den mit den neuen Investitionen verbundenen laufenden Abschreibungen
    – aus den Finanzierungskosten
    – aus der Verlagerung von Therapien in den ambulaten Sektor, wodurch auch die vom Kreis verwalteten MVZ belastet werden können
    – durch die Einrichtung der vom Kreistag beschlossene Genesungsbetten
    – durch die für den Umzug in das neue Großklinikum Offenburg erforderlichen  Doppelstrukturen

In den bisherigen Gutachten wurden nur die (aktivierungsfähigen) Investitionen behandelt, nicht aber die Entwicklung des Betriebsergebnisses. Zu den bis und nach 2030 erwarteten Ergebnissen liegt bisher keine Planung der Klinikverwaltung vor. Das Gutachten Lohfert & Lohfert sieht für das Jahr 2030 lediglich eine investitionsbedingte Erhöhung der Abschreibungen um ca 9 Mio € vor. Das ist bei einem Investitionsvolumen von 1,3 Mrd€ völlig unrealistisch, auch wenn letztlich ein Teil dieser Investitionen durch private Investoren getragen werden soll.

  • Nach einer Veröffentlichung von OB Muttach ist für die Umwandlung und Nachnutzung der zu schließenden Häuser ein Betrag von 100 Mio € vorgesehen. Ist dieser Betrag in dem 1,3 Mrd € Finanzierungsrahmen enthalten?
  • Welchen Erlös kann man aus der Veräußerung der zu schließenden Häuser erwarten?
  • Welchen Anteil der verbleibenden Finanzierungslücke müssen die Kommunen über die
    Kreisumlage übernehmen?
  • Die CDU- und SPD- Fraktionsvorschläge sehen eine langfristige Fremdfinanzierung vor. Ist dies haushaltsrechtlich zulässig? Geht dies zu Lasten der für andere Vorhaben zur Verfügung stehenden Finanzmittel?
  • Welche Bank gibt einen solchen Kredit? Erwarten Banken nicht einen Kapitaldienst aus laufenden Überschüssen als Voraussetzung der Kreditvergabe?
  • Wie sieht eine Zwischenfinanzierung aus, wenn die Landesmittel zeitlich versetzt freigegeben werden.

Nach dem Fraktionsvorschlag soll das Darlehen aus künftigen Überschüssen zurückgezahlt werden. Die oben angeführten Belastungen des Betriebsergebnisses sind dabei nicht berücksichtigt. Zu erwarten sind auf längere Zeit negative Zahlen, die nur durch eine höhere Kreisumlage zu finanzieren sind.

Bernd Honsel, Oberkirch