Stellungnahme zum Interview mit dem Klinikgeschäftsführer Herrn Keller in der ARZ vom 26. Mai 2020

https://www.bo.de/lokales/ortenau/klinikchef-christian-keller-die-grosse-linie-stimmt-bei-uns

Unsere Stellungnahme wurde leider nur „in Kürze“ auf der Ortenauseite vom 16.6.2020 in der gedruckten Ausgabe der Mittelbadischen Presse wiedergegeben. Hier der Originaltext:

Herr Keller hält die Agenda 2030 für „alternativlos“. Der Begriff ist inzwischen aus der Bundespolitik wohl bekannt und wurde immer dann eingesetzt, wenn keine Sachargumente zugelassen werden sollten. Die Ergebnisse solcher Vorgehensweisen sind ebenfalls bekannt.

Herr Keller hat nach seinen Aussagen aus der Krise gelernt, dass er gute Mitarbeiter hat (warum prägt diese Erkenntnis nicht sein Verhalten) und dass mehr Zugänge zur Notaufnahme und Schleusen vorzusehen sind. Dieser Lernerfolg erscheint beschränkt. Andere denken nach den gemachten Erfahrungen darüber nach, Kliniken teilweise von vornherein möglichst virenfrei zu halten, um dort die erforderlichen Behandlungen und Operationen durchführen zu können. Dazu braucht man mehrere Häuser!

Vorbereitungen zur endgültigen Schließung des Krankenhaus Oberkirch?

Nicht nachvollziehbar ist auch, warum die Oberkircher Personalstärke von ca. 100 Mitarbeitern erforderlich war, um 10 Intensivbetten zu installieren und vor allem, warum man sie nun nicht unverzüglich zurückverlegt. Wurde die Krise benutzt, um die Schließung des Oberkircher Krankenhauses „alternativlos“ erscheinen zu lassen? Die Aussagen zur näheren Zukunft von Oberkirch hält Herr Keller bewusst nichtssagend. Würde das Oberkircher Krankenhaus nicht in den status quo zurückversetzt, läge eine bewusste Täuschung des Bürgers vor.

Vertragsverlängerung des Geschäftsführers nicht im Kreistag, nur im GK-Ausschuss?

Erstaunlich robust beurteilt Herr Keller sein Wahlergebnis. Was ist mit „rechtswidrigem Verhalten“ anderer Personen gemeint? Warum hat über die Vertragsverlängerung nicht der Kreistag entschieden? Nach § 5 Nr. 2 der Betriebssatzung für das Ortenau-Klinikum liegt die Zuständigkeit für die Bestellung des Geschäftsführers bei dem Kreistag! Dort hat sich zwischenzeitlich die Zusammensetzung geändert – viele der Kreisräte, die für die Agenda 2030 gestimmt hatten, wurden aus diesem Grund nicht wiedergewählt. Und von denen wurde teilweise offen geäußert, dass sie unter bewusster Fehlinformation zu ihrem Abstimmungsverhalten gebracht wurden. Es stellt sich daher die Frage, ob eine Abstimmung im Kreistag nicht zu einem noch weniger überzeugenden Ergebnis geführt hätte. Denn Herr Keller erfüllt seinen Anspruch, „die bestmögliche medizinische Versorgung der Ortenauer zu gewährleisten“ gerade nicht. Für einen Großteil der (ebenso steuerzahlenden) Ortenauer würde sich die medizinische Versorgung durch die Agenda 2030 deutlich verschlechtern. Deswegen und nicht, weil er seinen „Job bestmöglich“ ausübt, steht Herr Keller in erster Linie in der Kritik.

Ergebnisse der kommunalen Gesundheitskonferenz sind nicht nur Deko-Elemente sondern umzusetzen!

Die Ergebnisse der kommunalen Gesundheitskonferenz bezeichnet Herr Keller als „bunten Strauß an Möglichkeiten für die Nachnutzung“. Sollte dieser Strauß nicht bloß als ein Deko-Element gedacht gewesen sein, müssen die darin formulierten Bedürfnisse und Vorstellungen umgesetzt werden. Dazu genügt es nicht, einzelne Blümchen zu zupfen, sondern die klar formulierte Forderung der alles finanzierenden Bürger nach dem Erhalt der ortsnahen medizinischen Grundversorgung ist zu erfüllen. Das ist der Auftrag!

Warum der Wegfall der jetzigen Form der Agenda 2030 zu einer Verschlechterung der Versorgung führen soll, bleibt unergründlich. Die Krankenhausbewertungsgesellschaft clinotel kommt für alle untersuchten Bereiche (Ärzte, Pflege, Hotellerie, Organisation, Schmerzen) zu der ganz eindeutigen Bewertung: „Qualitätsaussage: je kleiner, desto besser“! Dabei belegt Oberkirch unter den Ortenau-Kliniken in den Bereichen Pflege, Organisation, Hotellerie und Ernährung jeweils den besten Platz. In der Gesamtbewertung aller Leistungen nimmt Oberkirch den zweitbesten Platz ein.

Also ganz klar: Ein großes Haus hat selbstverständlich seine Berechtigung und bringt Nutzen, für viele Krankheitsbilder ist das kleine Haus aber nachweislich das bessere Haus, insbesondere wenn es ein so hohes Niveau wie das Oberkircher Krankenhaus bietet.

Die Aussage Herrn Kellers, wonach ein 40-jähriger Selbstständiger einen Eingriff (was für einen?) gerne am Wochenende auskuriert, ist verwirrend. Es ist nicht anzunehmen, dass ihm eine spezielle Biologie zu eigen ist. Und wenn er das will, kann er das auch heute jederzeit tun. Auch das ambulante Einsetzen eines Hüftgelenks ist unter den üblichen postoperativen Bedingungen keinesfalls wünschenswert. Auf Bundesebene findet bereits ein Umdenken hinsichtlich solcher „Trend(s)“ statt.

Wird eine Übernahme durch private Klinikbetreiber vorbereitet?

Herr Keller beklagt das Verhalten von privaten Kliniken in der Coronakrise und droht mit einer Privatisierung des Ortenau-Klinikums.

Zum einen hätte auch Herr Keller die Möglichkeit gehabt, in Oberkirch Operationen durchzuführen – es gab entsprechende Angebote von Ärzten, war aber nicht gewollt.

Zum anderen werden doch gerade durch die Agenda 2030 Strukturen geschaffen, die Anreize für eine Übernahme durch private Klinikbetreiber bieten. Durch die Corona-Krise wird sich die Finanzlage des Bundes, der Länder und der Kommunen in einer noch nicht zu überschauenden Weise dramatisch verschlechtern. War der entgleiste Finanzierungsbedarf der Agenda 2030 schon vor Corona nicht seriös zu decken, so wird das zukünftig schlicht unmöglich sein. Es tritt dann genau die Situation ein, mit der Herr Keller immer wieder droht.

Anpassung der Agenda

Eine Anpassung der Agenda, insbesondere der Verzicht auf einen nicht begründbaren Neubau in Achern, ist daher unumgänglich.

Es ist nachvollziehbar, dass es nicht leicht fällt, eine aufwendige Planung zu verändern, aber das ist das, was Hunderte von Betrieben nun auch vornehmen müssen.

Und wie Herr Keller sagt: „So ist das Leben“.

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