Am 21. März 2023 veranstaltete die Mittelbadische Presse im Hotel „Die Alm“ in Oberkirch-Ödsbach im Rahmen des „Ortenau-Forums“ eine Diskussionsrunde zum Thema:
Wie steht es um die Gesundheitsversorgung?
unter der Leitung von Moderator Jens Sikeler, Leiter der Regionalredaktion der Mittelbadischen Presse diskutierten:
- Manne Lucha (Landesminister für Soziales, Gesundheit und Integration der Grünen)
- Christian Keller (Vorstandsvorsitzender des Ortenau-Klinikums)
- Ulrich Geiger (Vorsitzender der Kreisärzteschaft)
- Christa Bruder (Stationsleiterin Ortenau-Klinikum in Lahr und Mitglied im Vorstand des Gesamtpersonalrates)
Ab Minute 1:20 denkwürdige Aussage des Vorstandsvorsitzenden des Ortenau-Klinikums Christian Keller:
Frage Jens Sikeler: „Wenn genügend Geld im System ist, was muss sich dann grundsätzlich ändern?“
Vorstandsvorsitzender Keller: „Es wird nie genügend Geld im System sein.
Ich glaube wir müssen uns alle ab und zu mal etwas erden. Ich war jetzt zuletzt oder wir waren zuletzt im Urlaub in Indien. So jetzt gehen Sie mal nach Indien und suchen Sie mal die Notaufnahmen auf, gehen Sie mal eine indische Notaufnahme und schauen Sie die mal an oder gehen sie nach Thailand oder gehen sie sonst irgendwo auf die Welt und schauen Sie sich mal an, wie es in den Gesundheitssystemen in den anderen Staaten dieser Welt aussieht. Ich mache das jeden Urlaub ich schau mal immer Krankenhäuser an – das ist immer sowas wo habe ich glaube ich ein Fetisch dafür – und dann sehen Sie, dass wir eigentlich in diesem Land eine exzellente Versorgung haben, wir haben sogar schon eigentlich eine Überversorgung.“
Quo vadis Ortenau-Klinikum ? Unser Gesundheitssystem auf dem Weg in ein Schwellenland ???
Hier auch der Artikel aus der ARZ vom 30. März 2023 zur Zukunft des Zentrums für Gesundheit:
Unsere Stellungnahmen dazu
(leider nur gekürzt in der ARZ vom 5.4.2023)
„Alles läuft bestens! Wir tuen alles was wir können?“ So die Aussage von Minister Lucha.
Nur vorausschauend planen wohl nicht?
„Die Ortenau ein Leuchtturm für mutige, verantwortungsvolle Versorgungsplanung?“
Die Realität sieht in Oberkirch und dem Renchtal anders aus.
Irrfahrten zu den Krankenhäusern, in den Notfallambulanzen stundenlange Wartezeiten. Der kassenärztliche Notfall- Dienst, 116117, ist nur umständlich, mit viel Geduld erreichbar. Sehr lange Wartezeiten für Kassenpatienten auf einen Facharzttermin. All das wird in den vielen Patientenäußerungen deutlich. Und widerspricht den Forderungen der kommunalen Gesundheitskonferenz.
Endlich wurde von der Politik, von Bundesgesundheitsminister Lauterbach, erkannt und hoffentlich auch umgesetzt, dass vor der geplanten großen Krankenhausreform die Stärkung , der Ausbau der medizinischen Primärversorgung gerade auf dem Lande Vorrang haben muss. Also der erste Schritt bevor die Krankenhauslandschaft neugestaltet werden kann.
Eine Position, die der Runde Tisch schon zu Beginn der Umsetzung der Agenda 2030 gebetsmühlenartig in die Diskussion eingebracht hat.
Jetzt, da es im stationären Bereich unweigerlich zu einem weiteren Bettenabbau kommen wird, sind zwingend stationäre Betten für eine „Zu- Ende- Behandlung“ der vorzeitig entlassenen Patienten in den neu geschaffenen Gesundheits-Zentren nötig. Eben die sog. „Genesungsbetten“. Im Übrigen sei die Nachversorgung laut Keller „ein richtig großartiges Modell“. Aber diese kann nicht nur durch das Pflegepersonal geleistet werden. Hierzu sind Ärzte nötig, die allerdings nicht rund um die Uhr vor Ort sein müssen, wohl aber in Rufbereitschaft. Auch Herr Keller scheint die „alternde Gesellschaft“ entdeckt zu haben, die mehr Genesungs- als Klinikbetten benötigt. Auch dies eine Forderung des Runden Tisches: ortsnahe stationäre Betten für Therapie und Diagnostik.
In einem Gutachten der kassenärztlichen Bundesvereinigung von 2017 war bereits die Einrichtung einer erweiterten ambulanten Versorgung mit stationären Betten, EAV, als Nachfolge-Modell der zu schließenden kleinen Krankenhäusern empfohlen.
Darüber hinaus muss endlich eine sektorenübergreifende medizinische Versorgung , die die strikte Trennung in ambulanter und klinischer Versorgung aufhebt, umgesetzt werden. Hier sollten der Aussage von Minister Lucha endlich Taten folgen. Auch das hatte schon das Gutachten von 2017 gefordert.
Zur Lenkung von „medizinischen Notfälle“ ist eine zentrale, medizinisch qualifizierte Lenkung durch einen „Scout“ nötig , wie von Herrn Lucha zurecht gefordert. Gerade wenn der Hausarzt eben nicht zur Verfügung steht. Die Aussage: „Gehen sie von 8-18 Uhr zu ihrem Hausarzt, der weiß am besten Bescheid“ stößt bei vielen, überlasteten Hausärzten an Grenzen. Telefonische Erreichbarkeit und zeitnahe Terminvergabe sind nicht selten mit größeren Schwierigkeiten verbunden.
Außerdem muss der kassenärztliche Notfalldienst, die Notfallnummer „116117“, dringend eine effizientere Struktur erhalten.
Als unqualifiziert und deplatziert sehen wir den von Herrn Keller ins Spiel gebrachten Vergleich unseres Gesundheitssystems mit denen von Schwellenländern wie Indien und Thailand.
Zum weiteren Ausbau des Zentrums für Gesundheit in Oberkirch ist anzumerken:
Der Gefäßchirurg, der 1x wöchentlich in Oberkirch tätig wird, darf als zusätzliches Leistungsangebot gesehen werden und wird begrüßt. Ab Oktober soll ein Allgemeinchirurg, Zusatzqualifikationen Gefäßchirurgie, Proktologie und Hernien-Chirurgie dazukommen. Leider wird im Artikel nicht genannt, in welchem zeitlichen Umfang dieser Allgemeinchirurg tätig sein wird. Der Runde Tisch geht davon aus, dass dieser Chirurg 5 Tage die Woche in Oberkirch tätig sein wird. Spätestens mit der Bereitstellung der „Genesungsbetten“ im Herbst dieses Jahres muss die ärztliche Betreuung dieser stationären Kurzzeit-Betten sichergestellt sein.
Wie oben angeführt sind diese Betten nicht nur zum „Erholen“ nach einem Klinikaufenthalt gedacht. Sie sollen auch einer Therapie und Diagnostik dienen. Beides kann für sog. Routinefälle, dazu zählen insbesondere die Volkskrankheiten, ortsnah und auch kostengünstig erbracht werden.
Der Geschäftsführer des MVZ, Rainer Bühn, wird halbjährlich dem Gemeinderat, nach einem Beschluss vom Herbst 2022, über den weiteren Ausbau des ZGO, Zentrum für Gesundheit Oberkirch, berichten.
Fazit: Es bedarf einer grundlegenden Reform unseres Gesundheit Systems. Die angekündigte große Gesundheitsreform muss mit allem Nachdruck, rasch umgesetzt werden.
Das schuldet der Staat seinen steuerzahlenden Bürgerinnen und Bürger. Eine gute Gesundheitsfürsorge gehört zu den wichtigsten Verpflichtungen unseres Staates.