zum Artikel in der Mittelbadischen Presse vom 17. Februar 2021:
Steht das Klinikum vor der nächsten einschneidenden Veränderung?
https://www.bo.de/lokales/ortenau/steht-das-klinikum-vor-der-naechsten-einschneidenden-veraenderung
Bürgerrechte und Bürgernähe – nur ein Lippenbekenntnis?
Die Umwandlung des Ortenau-Klinikums in eine Anstalt des öffentlichen Rechts mit einem Verwaltungsrat, der im Prinzip nicht-öffentlich tagen würde, (in der Vorlage: „Für die Sitzungen des Verwaltungsrats ist eine angemessene Regelung zur Öffentlichkeit gestaltbar“) ist gerade hinsichtlich der noch anstehenden Entscheidungen rund um die sogenannte „Agenda 2030“ ein Skandal und ein Schlag ins Gesicht der Ortenauer Bürger, die das ganze Projekt über ihre Steuern finanzieren dürfen, und auch der von ihnen gewählten Interessenvertretern!
Die Begründungen der Klinikverwaltung sind zum Teil „hanebüchen“ zu nennen:
Da wird das zeitintensive Verfahren in den politischen Gremien genannt, da Entscheidungen den Gesundheits-und Klinikausschuss (GKA) und anschließend den Kreistag durchlaufen müssen, was eine hohe zeitliche Belastung der ehrenamtlichen Gremienmitglieder bedeute.
Ja aber klar doch: Wenn wichtige Themen wie diese Umwandlung erst in den Fraktionssitzungen, in der Folge in Nicht-Öffentlicher Sitzung des GKA, dann hoffentlich in öffentlicher Sitzung des GKA und schließlich in öffentlicher Sitzung des Kreistags diskutiert werden, wird wertvolle Zeit verschwendet.
Was sieht die Landkreisordnung in Baden Württemberg dazu eigentlich vor: siehe §30, Absatz 1 LKrO? „Die Sitzungen des Kreistags sind öffentlich. Nichtöffentlich darf nur verhandelt werden, wenn es das öffentliche Wohl oder berechtigte Interessen einzelner erfordern; über Gegenstände, bei denen diese Voraussetzungen vorliegen, muß nichtöffentlich verhandelt werden.“
Wo erfordern hier das öffentliche Wohl oder berechtigte Interessen Einzelner Nicht-Öffentlichkeit? Nein, das Öffentliche Wohl und die berechtigten Interessen der Bürger erfordern zu diesem Themenkreis gerade und unbedingt die Öffentlichkeit der Beratungen! Es wird ständig versucht, Themen, die den Widerspruch des Bürgers hervorrufen könnten, an diesem vorbei zu schleusen und ihn dann möglichst unauffällig vor vollendete Tatsachen zu stellen. Das ist nicht Demokratie! Also ist eigentlich eine Nicht-Öffentliche Sitzung gerade zu dem bedeutsamen Thema „Agenda 2030“ ohnehin obsolet und rechtlich in den meisten Fällen nicht zulässig.
Wie schnell es dann doch manchmal gehen kann, zeigt doch der Entscheidungsprozess zur Schließung der Betriebsstelle Oberkirch: Am 20. Oktober 2020 wurde im GKA das sogenannte Konzept zur Weiterentwicklung der Betriebsstelle Oberkirch zum „Zentrum für Gesundheit Oberkirch“ vorgestellt, am 15. Dezember 2020 erfolgte dazu der Kreistagsbeschluss!
Anderseits zeigt doch gerade der Antrag der Freien Wähler vom 21. September 2020, in dem die Klinikleitung des Ortenau-Klinikums aufgefordert wird, Vorschläge zur Verringerung des jährlichen Defizits ohne Denkverbote zu machen, wie wichtig der GKA ist: Dass ein solcher Antrag erst aus den Reihen der Ausschussmitglieder gestellt werden muss, ist zum Einen der klare Beweis dafür, wie wenig transparent die Verwaltung arbeitet. Zum Anderen zeigt es auch, wie träge die Verwaltung arbeitet, dass die mangelhafte Beantwortung dieses Antrags erst nach 5(!) Monaten den Weg zurück in den Ausschuss findet.
Da ist sicher nicht das angeführte zeitintensive Verfahren in den politischen Gremien schuld!
Die Verwaltung begründet ihren Antrag u.a. damit, andere Klinikträger in BW hätten schon mit Umwandlungen in selbstständige Einrichtungen reagiert. Als eine der größten Kliniken in BW solle deshalb auch das Ortenau-Klinikum mehr Flexibilität und damit schnelle Reaktionsfähigkeit ermöglicht werden, ohne dabei den politischen Einfluss zu reduzieren.
Natürlich wird der politische Einfluss reduziert, indem nur ein kleiner Kreis „Eingeweihter“, der gnädigerweise seinen Fraktionskollegen berichten darf, die Entscheidungen fällen sollen. Auch ist es sicher kein Zufall, dass die Größe des neuen Verwaltungsrats so berechnet wird, dass dann die Linke Liste Ortenau, die kritische Fragen stellt, gerade keinen Sitz mehr erhält.
Das neue Konstrukt soll auch zu einem höheren Identifikationsgrad der Verwaltungsratsmitglieder zu „Ihrer“ Klinik führen. Das würde sich zuletzt auch positiv auf die Motivation der Belegschaft sowie den Zusammenhalt insgesamt auswirken.
Motivation und Zusammenhalt der Belegschaft ergibt sich nicht aus den politischen Gegebenheiten, sondern aus dem Gebaren im Personalmanagement und der Geschäftsleitung. Wenn die Beschäftigten immer wieder vor vollendete Tatsachen gestellt werden – siehe den Ablauf zur zeitweisen Schließung des Oberkircher Krankenhauses im Frühsommer 2020 – trägt das sicher nicht zur Motivation und zu einem Schulterschluss mit der Geschäftsleitung bei.
Laut Verwaltung würde sich die Umwandlung auch positiv auf die Kapazitäten der einzelnen Gremiumsmitglieder für eine weitergehende Professionalisierung auswirken, weil sie näher am operativen und fachlichen Geschehen wären und sich noch tiefer in die einzelnen Themen einarbeiten könnten.
Damit unterstellt die Verwaltung den GKA-Ausschussmitglieder mangelnde Professionalität!
Wenn die Vorlagen ehrlicher, transparenter und besser vorbereitet würden, dann wäre auch eine tiefere Einarbeitung für die Ausschussmitglieder möglich.
Beispiel Vorlage „Handlungsoptionen zur Stärkung der wirtschaftlichen Situation des Ortenau-Klinikums“: Da werden die Jahresfehlbeträge für die Krankenhäuser Oberkirch und Ettenheim jeweils tabellarisch dargestellt, während die anderen Betriebsstellen als Einzelbetrachtungen des Ortenau-Klinikums außen vor bleiben. Es fehlt auch jede Information, wie die Zahlen vor Beginn der „Gestaltungspolitik“ Herrn Kellers vor dem Jahr 2016 aussahen. Wie sollen sich da Ausschussmitglieder und Kreisräte ein entsprechendes Bild für Ihre professionelle Arbeit machen?
Um den Herrn Landrat – zwar in einer anderen Thematik – zu zitieren: „ Da müssten wir mit dem Klammerbeutel gepudert sein“, damit die Kreisräte solch einem Antrag der Verwaltung zustimmen würden! Oder anders ausgedrückt: Bürgernähe und -beteiligung würden zum bloßen Lippenbekenntnis verkommen. Das lassen sich die Kreisräte hoffentlich nicht bieten.